Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
drapiert war. Er ließ seine Hände entlang der Kurven fließen, wenige Zentimeter über der Oberfläche, getragen von der fiebrigen Hitze, die von ihrer goldenen Haut aufstieg. Die sanfte Bewegung ihres Atems ließ die Schatten tanzen. Ihre Atmung war – wie immer – ein wenig zu tief, ein wenig zu schnell. Er wünschte sich, sie zu verlangsamen. Als wenn nicht ihre Tage, sondern ihre Atemzüge gezählt wären, und wenn sie sie alle aufgebraucht hätte … Sie war die letzte Überlebende der Prototypen, die mit ihr zusammen erzeugt worden waren. Sie waren alle genetisch auf ein kurzes Leben programmiert worden, teilweise vielleicht als eine Art störungssicherer Mechanismus, zum Teil vielleicht im Bemühen, ihnen soldatischen Mut einzugeben, aufgrund der düsteren Theorie, ein kurzes Leben würde bereitwilliger im Kampf geopfert als ein langes. Nach Miles’ Meinung hatten die Forscher Mut oder Leben nicht ganz verstanden. Die Supersoldaten waren schnell gestorben, wenn sie starben, ohne sich hinziehende Jahre eines von Arthritis geplagten Alters, das sie allmählich ihrer Sterblichkeit entwöhnt hätte. Sie litten nur Wochen, höchstens Monate, an einem Verfall, der so heftig war, wie es ihr Leben gewesen war. Es war, als seien sie bestimmt, in einer Flamme aufzugehen, anstatt in Schande unterzugehen. Er studierte das winzige silbrige Geglitzer in Tauras mahagonifarbenem Haar. Im letzten Jahr war es noch nicht dagewesen.
Um Himmels willen, sie ist erst zweiundzwanzig.
Die Flottenärztin der Dendarii hatte sie sorgfältig untersucht und ihr Medikamente gegeben, um den ungestümen Stoffwechsel zu verzögern. Jetzt aß sie nur noch soviel wie zwei Männer, nicht mehr wie vier. Jahr um Jahr hatten sie Tauras Leben verlängert, so wie man einen heißen Golddraht durch ein Drahtgitter zieht.
Doch irgendwann mußte dieser Draht reißen.
Wieviel Zeit war noch? Ein Jahr? Zwei? Würde sie noch da sein, wenn er nächstes Mal zu den Dendarii zurückkehrte, und ihn öffentlich mit einem korrekten ›Hallo, Admiral Naismith‹ und heimlich mit einem höchst unkorrekten, um nicht zu sagen wilden und heiseren ›Tag, Liebster!‹ zu begrüßen …?
E s ist gut, daß sie Admiral Naismith liebt. Lord Vorkosigan würde damit nicht fertig.
Ein wenig schuldbewußt dachte er an Admiral Naismiths andere Geliebte, die öffentliche und anerkannte Quinn. Niemand mußte etwas erklären oder sich für etwas entschuldigen, wenn er die schöne Quinn liebte. Sie war ganz selbstverständlich seine Lebensgefährtin.
Eigentlich war er Elli Quinn nicht untreu. Genaugenommen war die Beziehung zu Taura älter als die zu ihr. Und er und Quinn hatten keine Gelübde, keine Schwüre, keine Versprechen ausgetauscht. Nicht, weil keiner darum gebeten hätte; er hatte sie schmerzlich oft danach gefragt. Aber sie liebte zu sehr Admiral Naismith. Nicht Lord Vorkosigan. Der Vorschlag, Lady Vorkosigan zu werden und für immer drunten auf einem Planeten festzusitzen, den sie selbst als eine ›hinterwäldlerische Dreckkugel‹ abgetan hatte, hatte ausgereicht, um die auf einer Raumstation geborene Quinn schreiend in die entgegengesetzte Richtung zu jagen oder zumindest sich voller Unbehagen herauszureden.
Admiral Naismiths Liebesleben war so etwas wie der Traum eines Heranwachsenden: unbegrenzter und manchmal erstaunlicher Sex, keine Verantwortung. Warum schien es nicht mehr zu funktionieren?
Er liebte Quinn, liebte ihre Energie und Intelligenz und ihren Drive, ihrer beider gemeinsame Leidenschaft für das militärische Leben. Sie war einer der wunderbarsten Freunde, den er in seinem Leben gehabt hatte. Doch am Ende bot sie ihm nur … Sterilität. Mit ihr gab es nicht mehr an gemeinsamer Zukunft als mit Elena, die an Baz gebunden war, oder mit Taura. Die sterben wird.
Gott, tut das weh! Fast wäre es eine Erlösung gewesen, Admiral Naismith zu entfliehen und zu Lord Vorkosigan zurückzukehren. Lord Vorkosigan hatte kein Sexleben.
Er überlegte. Also … wann war dieser … dieser … Mangel in seinem Leben eingetreten? Eigentlich vor ziemlich langer Zeit.
Nur hatte er ihn früher nicht wahrgenommen.
Tauras Augen öffneten sich halb zu einem honigfarbenen Glitzern. Sie schenkte ihm ein schläfriges Lächeln mit Fangzähnen.
»Hunger?«, fragte er sie und war sich dabei der Antwort sicher.
»Ah ja.« Sie verbrachten einige angenehme Minuten mit dem Studium der ziemlich langen Speisekarte, die die Küche des Schiffes ihnen hatte zukommen lassen,
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