Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
in einem gebrochenen Rhythmus auf den Boden. Aber was, wenn Galeni schuldig war? Warum hielt er dagegen? Haroches Furcht vor einer Hexenjagd war sehr zwingend. Miles und Galeni waren Freunde gewesen. Wenn irgendein anderer beschuldigt worden wäre, jemand, den er nicht kannte, wäre er dann jetzt so mäkelig in dieser Sache? Oder wäre er mit Haroches Beweisen völlig zufrieden gewesen?
Verdammt, hier ging es nicht um Freundschaft. Es ging um Wissen. Um die Beurteilung eines Charakters. Ich dachte immer, ich sei in der Einschätzung von Personen gut gewesen. Sollte er jetzt sein Urteil anzweifeln? Aber zum Teufel, Menschen waren nun einmal seltsam. Raffiniert und falsch. Man wußte nie wirklich alles über sie, selbst nicht nach Jahren der Freundschaft. Bei Verwandten noch weniger.
Seine Hände umfaßten die Armlehnen. Plötzlich ertappte er sich dabei, wie er an den Sprungpiloten dachte, den zu verhören er Sergeant Bothari befohlen hatte, damals vor dreizehn Jahren, bei seiner allerersten Begegnung mit den Dendarii und seinem Schicksal. Es beunruhigte ihn außerordentlich, daß er sich jetzt an den Namen des Mannes nicht erinnern konnte, obwohl er heuchlerisch bei dessen Bestattung gesprochen hatte. Sie hatten unbedingt die Zugangscodes des Piloten gebraucht, um Leben zu retten. Und Bothari hatte sie bekommen, mit der rauhesten der schnellen Methoden, und sie hatten – so vermutete Miles –Leben gerettet. Allerdings nicht das des Sprungpiloten.
Seine erste militärische Karriere hatte mit dem Opfer eines Menschenlebens begonnen. Vielleicht war ein weiteres für ihre Erneuerung notwendig. Er hatte schon früher genügend Freunde geopfert, Gott wußte es, er hatte sie in eine verdammt gute Sache hineingeführt, aber nicht wieder heraus. Und sie waren nicht alle Freiwillige gewesen.
Ich möchte, ich möchte … Hatte Haroche das nackte Verlangen in seinem Gesicht gesehen? Ja, natürlich; Miles hatte es in Haroches selbstzufriedenen Augen gesehen, in dieser entspannten Gewißheit seines Lächelns, in seinen lässig gefalteten Händen, die sich dunkel in dem schwarzen Glas gespiegelt hatten. Mächtige Hände, die nach Belieben soviel geben oder vorenthalten konnten. Er durchschaut mich, o ja. Miles kniff die Augen zusammen und öffnete die wunden Lippen. Sein Atem paffte in die kühle Luft des winzigen Raums, als hätte ihm gerade jemand mit voller Wucht in den Magen geboxt.
O Gott. Das ist nicht bloß ein Jobangebot. Das ist eine Bestechung. Lucas Haroche hatte soeben versucht, einen Kaiserlichen Auditor zu bestechen.
Versucht? Oder Erfolg dabei gehabt?
Darauf werden wir noch zurückkommen.
Und was für eine Bestechung. Was für eine süße Bestechung.
Konnte Miles überhaupt beweisen, daß es eine Bestechung war, und nicht einfach ehrliche Bewunderung?
Ich bin mir sicher. Oh, ich bin mir sicher. Lucas Haroche, Sie raffinierter Mistkerl, ich habe Sie vom ersten Tag an unterschätzt. Soviel zu Miles’ Beurteilung menschlicher Charaktere, deren er sich so gerühmt hatte.
Er hätte Haroche nicht unterschätzen sollen. Haroche war ebenso Illyans handverlesener Mann wie Miles auch. Illyan mochte Wiesel. Doch Illyan hatte ein Talent dafür, sie unter Kontrolle zu halten. Haroches kühler, beherrschter Stil eines früheren Unteroffiziers war die Maske für einen rasiermesserscharfen Verstand.
Auch Haroche bekam Ergebnisse, auf jede mögliche Weise, sonst wäre er nicht zum Chef der Abteilung Heimische Angelegenheiten aufgestiegen, nicht unter Illyan.
Haroche hätte nicht gewagt, seinen Vorschlag zur Sprache zu bringen, wenn er sich Miles’ nicht sicher gewesen wäre. Und warum nicht? Mit Zugang zu allen Dateien Illyans hatte er reichlich Gelegenheit gehabt, Admiral Naismiths Karriere von Anfang bis Ende zu studieren. Besonders das Ende. Haroche wußte, was für ein Mitwiesel der kleine Admiral war. Er konnte zuversichtlich voraussagen, daß Miles alles – einschließlich seiner Integrität – opfern würde, um Naismith zu behalten, weil er es einmal schon getan hatte. Hier gab es keine Jungfräulichkeit mehr.
Sein Hauptmannsrang. Sein Hauptmannsrang. Haroche hatte sicher keine Schwierigkeiten herauszufinden, wo mein Einschaltknopf ist. Aber Haroche war ein loyales Wiesel, das würde Miles schwören, loyal zu Gregor und dem Kaiserreich, ein wirklicher Waffenbruder. Falls Geld diesem Mann irgend etwas bedeutete, so hatte Miles kein Anzeichen dafür gesehen. Seine Leidenschaft war sein Dienst im KBS, wie bei
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