Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
Sir«, flüsterte Miles. Eigentlich hatte er nicht flüstern wollen. »Keine Spiele mehr.« »Gut.« Illyan schaukelte ein wenig auf seinem Stuhl und warf die Karte wieder auf das Pult. Sein Gesicht sah aus wie der Tod persönlich. Miles fragte sich, wie sein eigenes Gesicht wohl aussah. Vermutlich hatte er die Augen so weit aufgerissen wie ein Tier im Scheinwerferlicht, von einem Bodenwagen aus gesehen, der mit km/h darauf losfuhr.
»Das«, Illyan deutete auf die Code-Karte, »war ein Verrat an den Untergebenen, die von dir abhingen, wie an den Vorgesetzten, die dir vertrauten. Und es war ein wissentlicher Verrat, der an Leutnant Vorbergs Körper bewiesen ist. Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen?« Wenn die taktische Situation schlecht ist, dann wechsle deinen Standort. Wenn du nicht gewinnen kannst, dann ändere die Regeln. Miles’ innere Spannung ließ ihn von seinem Stuhl hochschießen und vor Illyans Pult hin und her gehen. Seine Stimme wurde laut. »Ich habe Ihnen neun Jahre mit Leib und Blut gedient – und ich habe reichlich geblutet, Sir. Fragen Sie die Marilacaner, wie gut ich Ihnen gedient habe. Fragen Sie hundert andere. Über dreißig Missionen, und nur zwei, die man entfernt als Mißerfolge einstufen könnte. Ich habe mein Leben ein dutzendmal aufs Spiel gesetzt, ich habe es buchstäblich geopfert. Zählt das plötzlich alles nichts!« »Es zählt«, Illyan holte Atem, »viel. Deshalb biete ich dir eine Entlassung aus medizinischen Gründen ohne Nachteile an, falls du jetzt aus dem Dienst ausscheidest.« »Ausscheiden? Den Dienst quittieren?. Der KBS hat schlimmere Skandale als diesen unter dem Teppich verschwinden lassen – ich weiß, Sie können mehr als das tun, wenn Sie wollen.« »Es ist der beste Weg. Nicht nur für dich, sondern auch für deinen Namen. Ich habe es aus allen Blickwinkeln durchdacht. Ich habe Wochen darüber nachgedacht.« Deshalb hat er mich nach Hause gerufen. Keine Mission. Es hat nie eine gegeben. Nur das hier. Meine Sache war schon vermasselt, bevor es angefangen hat. Keine Chance.
»Nachdem ich deinem Vater dreißig Jahre lang gedient habe«, fuhr Illyan fort, »kann ich nicht weniger für dich tun. Und nicht mehr.« Miles erstarrte. »Mein Vater … hat darum gebeten? Er weiß es?« »Noch nicht. Die Aufgabe, ihn ins Bild zu setzen, überlasse ich dir. Das ist ein letzter Bericht, den ich nicht gerne selbst geben möchte.« Seltene Feigheit auf Illyans Seite und eine fürchterliche Strafe.
»Meines Vaters Einfluß«, sagte Miles bitter. »Ein Gefallen.« »Glaube mir, ohne deine Leistungen, die du gerade mit Recht erwähnt hast, könnte nicht einmal dein Vater diese Gnade von mir erwirken. Deine Karriere wird still enden, ohne öffentlichen Skandal.« »Ja«, Miles keuchte. »Wirklich bequem, diese Lösung. Sie verschließt mir den Mund und läßt mir keine Möglichkeit zur Berufung.« »Ich rate dir von ganzem Herzen, diese Sache nicht bis zu einem Militärgerichtsverfahren zu forcieren. Du wirst niemals ein günstigeres Urteil bekommen als dieses private unter uns. Es ist nicht humorvoll gemeint, wenn ich dir sage, daß deine Sache nicht auf festen Beinen steht.« Um seine Worte zu unterstreichen, tippte Illyan auf die Code-Karte. Tatsächlich zeigte sich in seinem Gesicht nicht ein Hauch von Amüsement. »Allein aufgrund dieser dokumentierten Beweise hier, ohne an den Rest zu denken, könntest du von Glück reden, wenn du nur mit einer unehrenhaften Entlassung davonkämst und nicht noch obendrein eine weitere Strafe zu gewärtigen hättest.« »Haben Sie das mit Gregor besprochen?«, wollte Miles wissen.
Die Gnade des Kaisers, seine letzte Notfallverteidigung, von der er sich geschworen hatte, er würde lieber sterben, als sie anzurufen … »Ja. Ausführlich. Ich bin heute den ganzen Vormittag mit ihm wegen nichts anderem zusammengesessen.« »Oh.« Illyan wies auf seine Komkonsole. »Ich habe deine Unterlagen bereit, damit du sie hier und jetzt unterzeichnest. Handflächenab druck, Retina-Scan, und es ist erledigt. Deine Uniformen … stammen nicht aus Militärbeständen, deshalb mußt du sie nicht zurückgeben, und es ist Tradition, daß man seine Abzeichen behält, aber ich fürchte, ich muß dich bitten, mir deine Silberaugen zu überreichen.« Miles drehte sich auf dem Absatz herum und unterbrach die halbe Geste seiner erregten Hände, die nach seinem Kragen faßten, um sich abwehrend daran zu klammern. »Nicht meine Horusaugen! Das ist … nicht
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