Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
ich. »Sehr schön.« »Möchtest du direkt in ein Krankenhaus gehen? Das solltest du.
Als ehrenhaft entlassener Veteran hast du Anspruch auf Behandlung im Kaiserlichen Militärkrankenhaus, und zwar aus eigenem Recht, nicht nur deines Vaters wegen. Ich … dachte, das wäre wichtig.« »Nein. Ich möchte nach Hause gehen. Ich werde mich … später damit befassen. Es ist chronisch, nicht kritisch. Wahrscheinlich vergeht ein Monat, bevor es wieder passiert, wenn es normal weitergeht.« »Du solltest in ein Krankenhaus gehen.« »Sie haben gerade die Autorität über meine Handlungen verloren«, erwiderte Miles und blickte ihn scharf an. »Darf ich Sie daran erinnern, Simon?« Illyan machte eine Geste mit der offenen Hand: er gab nach – wenn auch voller Sorge. Er ging um sein Pult herum und drückte den Türöffner. Er rieb sich einen Moment lang mit der Hand über das Gesicht, als wollte er alle Emotionen wegwischen. Und die Tränen, die ihm in den Augen standen. Miles kam es vor, als könnte er fast die Verdunstungskälte auf Illyans runden Wangenknochen spüren. Als Illyan sich wieder umdrehte, war sein Gesicht so kühl und verschlossen wie eh und je.
Gott, mein Herz tut mir weh. Und auch der Kopf. Und der Magen. Und jeder andere Körperteil. Miles rappelte sich hoch und ging zur Tür. Mit einem Achselzucken wies er Illyans zögernde Hand zurück, die ihn unter dem Ellbogen fassen wollte.
Die Tür öffnete sich zischend. Drei Männer standen davor, besorgt und wachsam: Illyans Sekretär, General Haroche und Hauptmann Galeni. Galeni zog die Augenbrauen hoch und schaute Miles an. Als der Hauptmann bemerkte, daß die Abzeichen am Kragen fehlten, weiteten sich seine Augen bestürzt.
Mensch, Duv, was denken Sie denn? Daß Miles neben dem Zweikampf im Wortwechsel auch noch einen Faustkampf mit Illyan gehabt hatte? Daß ein wütender Illyan diese Horusaugen mit Gewalt heruntergerissen hatte? Indizien können so überzeugend wirken.
Haroche öffnete den Mund und flüsterte beunruhigt wie überrascht: »Was, zum Teufel …?« Er machte eine fragende Geste in Illyans Richtung.
»Entschuldigen Sie uns.« Illyan vermied die Blicke der anderen und drängte sich an ihnen vorbei. Die versammelten KBS-Offiziere drehten sich um und schauten den beiden nach, wie sie auf den Korridor traten und nach links abbogen.
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KAPITEL 7
Miles, der sich bewußt war, daß ihm die Blicke des KSB-Fahrers folgten, trat vorsichtig durch den Vordereingang des Palais Vorkosigan. Er ließ die Schultern erst sinken, als sich die Tür sicher hinter ihm schloß. Er ließ sich in den ersten Sessel fallen, auf den er stieß, direkt auf die Abdeckung. Es dauerte noch eine Stunde, bis er aufhörte zu zittern.
Nicht die zunehmende Dunkelheit, sondern der Druck seiner Blase zwang ihn endlich auf die Beine. Unsere Körper sind unsere Herren, wir sind ihre Gefangenen. Befreit die Gefangenen! Als er aufgestanden war und sich bewegte, bestand sein einziges Verlangen darin, wieder reglos zu sein. Ich sollte mich betrinken.
Das ist doch die Tradition für Situationen wie diese, nicht wahr?
Er holte eine Flasche Brandy aus dem Keller. Wein kam ihm unangemessen wohlschmeckend vor. Dieser Ausbruch von Aktivität endete in dem kleinsten Raum, den er finden konnte, einer Kammer im dritten Stock, die man für einen Wandschrank hätte halten können, wenn sie kein Fenster gehabt hätte. Es handelte sich um ein früheres Dienstbotenzimmer, das einen alten Ohrensessel beherbergte. Nach all der Anstrengung mit der Herbeischaffung des Brandys hatte er nicht mehr den Wunsch, die Flasche zu öffnen.
Er kauerte sich in dem großen Sessel klein zusammen.
Bei seinem nächsten Ausflug zur Toilette, irgendwann nach Mitternacht, nahm er den Dolch seines Großvaters mit und legte ihn neben der verschlossenen Brandy-Flasche auf das Lampentischchen zu seiner Linken. Der Dolch führte ihn ebenso wenig in Versuchung wie das Getränk, aber damit herumzuspielen lieferte ihm ein paar interessante Momente. Er ließ das Licht über die Klinge streichen und drückte sie gegen seine Handgelenke, seinen Hals, entlang der dünnen Narben, die die Kryonik-Vorbereitung dort hinterlassen hatte. Auf jeden Fall in den Hals, falls überhaupt. Alles oder nichts, kein Herumspielen.
Doch er war schon einmal gestorben, und es hatte nicht geholfen. Der Tod hielt weder Geheimnis noch Hoffnung bereit. Und da lauerte die schreckliche Möglichkeit, daß diejenigen, die soviel geopfert hatten, um
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