Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
beobachteten das Menuett, bei dem die gewissenhaften Spaziergänger rücksichtsvoll versuchten, Gregor und Laisa auf den verzweigten Pfaden aus dem Weg zu gehen.
»Wie geht es deinem Papa?«, fragte Miles, als sie sich gesetzt hatten. »Ich glaube, ich sollte ihn mal besuchen.« »Ja, er hat sich schon gefragt, warum du ihm bei diesem Heimaturlaub aus dem Weg zu gehen scheinst. Dann hörten wir, daß du aus medizinischen Gründen entlassen wurdest. Er sagte, ich solle dir ausrichten, daß ihm das schrecklich leid tut. Hast du schon gewußt, daß es an jenem Abend bekannt wurde, als wir zu dem Staatsdiner gingen? Du hast dir nichts anmerken lassen.
Aber für dich konnte es keine Überraschung gewesen sein.« »Ich hatte immer noch verzweifelt gehofft, ich könnte irgendwie davonkommen.« Strenggenommen war das nicht wahr; er war in einem Zustand der völligen Verdrängung gewesen, hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht. Ein schlimmer Fehler, im Rückblick.
»Wie geht es deinem Hauptmann Galeni?« »Trotz allgemeiner Vermutung des Gegenteils ist Duv Galeni nicht mein persönliches Eigentum.« Sie schürzte ungeduldig die Lippen. »Du weißt, was ich meine.
Wie nimmt er Laisas Verlobung mit Gregor auf? An jenem Abend war ich mir sicher, daß er in sie verliebt war.« »Es geht ihm nicht gerade gut«, gab Miles zu, »aber er wird darüber hinwegkommen. Vermutlich hat er sie einfach zu langsam umworben. Sie muß zu dem Schluß gekommen sein, daß er nicht so übermäßig an ihr interessiert war.« »Das wäre einmal eine nette Abwechslung gegenüber den Flegeln, die immer gleich versuchen, auf einem herumzukrabbeln«, seufzte Delia.
Miles stellte sich vor, wie er mit Kletterhaken und jeder Menge Seil den Mount Delia in Angriff nahm. Eine sehr gefährliche Felswand. »Und wie kommst du derzeit mit Ivan zurecht? Ich wußte nicht, ob ich mich dafür entschuldigen sollte, daß ich dich an jenem Abend ihm entführt habe.« »Ach so, Ivan.« Miles lächelte dünn. »Freust du dich auf diese kaiserliche Hochzeit?« »Tja, Mutter ist ganz aufgeregt, zumindest um Gregors willen.
Sie plant schon unsere Kleider und überlegt, ob meine Schwester Kareen deshalb von Kolonie Beta zurückkommen kann. Ich frage mich, ob sie Hochzeiten für ansteckend hält. Wir bekommen ständig diese kleinen Hinweise, daß Mama und Papa eines Tages das Haus wieder für sich selbst haben wollen. Oder zumindest die Badezimmer.« »Und du?« »Na ja, es wird getanzt werden.« Ihr Gesicht hellte sich auf.
»Und vielleicht gibt es interessante Männer.« »Ivan ist kein interessanter Mann?« »Ich sagte Männer, nicht Knaben.« »Er ist fast dreißig. Wie alt bist du, vierundzwanzig?« »Es geht nicht ums Alter, es geht um die Einstellung. Knaben wollen nur mit einem ins Bett. Männer wollen geheiratet werden und dann ihr Leben weiterführen.« »Ich bin mir ziemlich sicher, daß Männer auch ins Bett wollen«, sagte Miles ziemlich kleinlaut.
»Nun ja, aber bei ihnen ist kein so allumfassendes Verlangen.
Sie haben noch ein paar Gehirnzellen für andere Funktionen übrig.« »Du kannst mir nicht weismachen, daß Frauen ihrerseits das nicht wollen.« »Vielleicht sind wir wählerischer.« »Dein Argument wird von der Statistik nicht gestützt. Fast jede scheint zu heiraten. So wählerisch können sie also nicht sein.« Sie blickte nachdenklich drein, anscheinend beeindruckt von Miles’ Einwand. »Nur in unserer Kultur. Kareen sagt, daß es auf Kolonie Beta anders ist.« »Auf Kolonie Beta ist alles anders.« »Also ist es vielleicht doch ansteckend.« Wie kommt es dann, daß ich anscheinend immun bin? »Mich überrascht, daß keins von euch Mädchen schon weggeschnappt wurde.« »Ich glaube, es liegt daran, daß wir zu viert sind«, gestand ihm Delia. »Die Kerle nähern sich dem Rudel, und dann kommen sie ganz durcheinander, welche von uns sie eigentlich anvisieren sollen.« »Das kann ich verstehen«, meinte Miles. En masse waren die Koudelka-Blondinen ein höchst entnervendes Phänomen. »Es sieht so aus, als wolltest du deinen Schwestern entwischen, oder?« »Jederzeit«, seufzte Delia.
Die Vorvolks spazierten vorbei und blieben zu einem Schwätzchen stehen; im Kielwasser dieses Paares drifteten Miles und Delia schließlich wieder zu Madame Koudelka zurück, und die Party löste sich auf. Miles kehrte nach Palais Vorkosigan zurück und schaute sich eifrig um, ob es für ihn nicht etwas anders zu tun gäbe als die Hausaufgabe, die ihm Lady
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