Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
hätte vielleicht jemand die Leiche gefunden, bevor sein Gehirn kaputtging.«
»So jung, kaum fünfzig. Es ist ein Jammer, dass er ohne Nachkommen gestorben ist.«
»Ein noch größerer Jammer ist, dass nicht noch mehr
meiner Vorrutyer-Onkel ohne Nachkommenschaft
gestorben sind«, seufzte By. »Dann hätte ich jetzt einen neuen Posten.«
»Ich wusste nicht, dass du auf den Distrikt der Vorrutyer
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scharf wärest, By«, sagte Ivan. »Graf Byerly? Eine
politische Karriere?«
»Das verhüte Gott. Ich hege nicht das geringste
Verlangen, mich jener Versammlung von Fossilien
anzuschließen, die da im Schloss Vorhartung debattieren, und der Distrikt langweilt mich zu Tode. Ein trostloser Ort.
Wenn nur mein fruchtbarer Cousin Richars nicht so ein
völliger Scheißkerl wäre – ich beabsichtige damit nicht, meine verstorbene Tante zu beleidigen –, dann würde ich ihm Freude an seinen Aussichten wünschen. Falls er sie erreicht. Leider machen ihm diese Aussichten Freude, was mir die Freude an der ganzen Sache nimmt.«
»Was ist denn mit Richars nicht in Ordnung?«, fragte
Alexi verdutzt. »Die paar Male, wo ich ihn getroffen habe, kam er mir als ausreichend solider Bursche vor. Politisch vernünftig.«
»Mach dir keine Gedanken, Alexi.«
Alexi schüttelte verwundert den Kopf. »By, hast du kein richtiges Familiengefühl?«
By tat dies mit einer lässigen Geste ab. »Ich habe keine richtige Familie. Mein vorherrschendes Gefühl ist Abscheu. Mit vielleicht ein oder zwei Ausnahmen.«
Ivan runzelte die Stirn, während er Bys Geplapper
entschlüsselte. »Falls er den Titel bekommt? Was sollte Richars im Wege stehen?« Richars war der älteste Sohn des ältesten Onkels, erwachsen und – soweit Ivan wusste –geistig gesund. Ein Scheißkerl zu sein hatte im Laufe der Geschichte noch nie als triftiger Grund gegolten, um jemanden vom Rat der Grafen auszuschließen, sonst wäre - 156 -
dieser eine viel geringer besetzte Körperschaft gewesen.
Nur die Tatsache, dass man ein Bastard war, schloss einen davon aus. »Man hat doch nicht entdeckt, dass er ein heimlicher Cetagandaner ist, wie der arme René Vorbretten, oder?«
»Leider nein.« By schaute zu Ivan herüber. In seinen
Augen erschien ein seltsam berechnender Blick. »Aber
Lady Donna – ich glaube, du kennst sie, Ivan – hat am Tag nach Pierres Tod beim Rat einen förmlichen Widerspruch eingereicht, und der hat Richars' Bestätigung einstweilen blockiert.«
»Ich hatte so etwas gehört. Habe nicht darauf geachtet.«
Ivan hatte Pierres jüngere Schwester Lady Donna nicht
mehr leibhaftig gesehen –und was für ein köstlicher Leib war das einmal gewesen! –, seit sie ihren dritten Ehemann abgelegt und sich in den Distrikt der Vorrutyer zurückgezogen hatte, um die offizielle Gastgeberin ihres Bruders und seine inoffizielle Vertreterin im Distrikt zu werden. Es hieß, sie habe mehr Einfluss auf die laufenden Geschäfte des Distrikts gehabt als Pierre. Ivan erschien es glaubhaft. Sie musste inzwischen fast vierzig sein; er fragte sich, ob sie schon begonnen hatte dick zu werden. An ihr mochte es gut aussehen. Elfenbeinfarbene Haut, tolles schwarzes Haar bis zu den Hüften, und glimmende braune Augen wie glühende Kohlen…
»Oh, ich hatte mich gewundert, warum Richars'
Bestätigung so lange braucht«, sagte Alexi.
By zuckte die Achseln. »Wir werden sehen, ob Lady
Donna ihren Fall durchbringt, wenn sie von Kolonie Beta zurückkommt.«
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»Meine Mutter meinte, es sei seltsam, dass sie vor der Totenfeier abreiste«, sagte Ivan. »Sie hatte nichts darüber gehört, ob es zwischen Donna und Pierre vielleicht böses Blut gegeben hätte.«
»Genau genommen sind sie – für meine Familie – ziemlich gut miteinander ausgekommen. Aber es war dringend.«
Ivan hatte mit Donna eine denkwürdige Romanze
gehabt. Er war ein unerfahrener frisch gebackener Offizier gewesen, sie zehn Jahre älter und gerade zwischen zwei Ehen schwebend. Sie hatten nicht viel über ihre Verwandten geredet. Ihm fiel jetzt ein, dass er ihr nie gesagt hatte, wie ihre erotischen Lektionen, die das Gemüt hinschmelzen ließen, ihm ein paar Jahre später die Haut gerettet hatten, damals wahrend jener fast desaströsen diplomatischen Mission nach Cetaganda. Er sollte sie wirklich einmal besuchen, wenn sie wieder von Kolonie Beta zurück war. Ja, sie mochte vielleicht deprimiert sein ob der vielen Geburtstage, die sie schon gefeiert hatte, und vielleicht brauchte sie
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