Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
am nächsten Tag einen schrecklichen Kater, wissen Sie.«
»Ich war der Meinung, sie seien praktisch geheilt. Ist dies tatsächlich nicht der Fall?«
»Geheilt? Nicht, wenn der, den ich beobachtet habe, ein Beispiel ist. Unter Kontrolle, so sagt er.«
Lord Mark kniff die Augen zusammen. »Also… äh…
wo haben Sie diese Vorführung gesehen?«
»Den Anfall? Das war genau genommen auf dem Boden
meines Wohnzimmers. In meiner alten Wohnung auf
Komarr«, fühlte sie sich auf seinen Blick hin gezwungen zu erklären. »Ich bin ihm dort begegnet, als er seinen damaligen Fall als Auditor bearbeitete.«
»Oh.« Lord Mark musterte sie in ihrer Witwenkleidung von oben bis unten. Welche Schlüsse zog er?
»Er hat so einen kleinen Apparat wie ein Kopfhörer, den seine Ärzte für ihn angefertigt haben, und der soll die Anfälle dann nach seinem Wunsch auslösen, anstatt zufällig.« Sie fragte sich, ob der Anfall von letzter Nacht medizinisch ausgelöst worden war, oder ob er wieder zu lange gewartet und die schwerere spontane Version erlitten hatte. Damals hatte er behauptet, er habe seine Lektion gelernt, aber…
»Aus irgendeinem Grund hat er es unterlassen, mich
über diese ganzen Komplikationen zu unterrichten«,
murmelte Lord Mark. Ein seltsam humorloses Grinsen
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huschte über sein Gesicht. »Hat er Ihnen erklärt, wie es überhaupt zu diesen Anfällen gekommen ist?«
Lord Marks Aufmerksamkeit war jetzt gespannt auf sie gerichtet. Sie suchte nach der richtigen Balance zwischen Wahrheit und Diskretion. »Eine Schädigung bei der Kryo-Wiederbelebung, so hat er mir erzählt. Ich habe einmal auf seiner Brust die Narben von der Nadelgranate gesehen. Er hat Glück gehabt, dass er noch lebt.«
»Hu. Hat er auch erwähnt, dass er damals, als die
Granate ihn traf, gerade versucht hat, meinen jämmerlichen Arsch zu retten?«
»Nein…«Sie zögerte, als sie Lord Marks herausfordernd hochgerecktes Kinn sah. »Ich glaube, er soll nicht viel über seine, seine frühere Karriere reden.«
Lord Mark lächelte dünn und trommelte mit den Fingern auf die KomKonsole. »Mein Bruder hat diese schlechte kleine Angewohnheit, seine Version der Realität so zu redigieren, dass sie für sein Publikum passt, wissen Sie.«
Sie konnte verstehen, warum Lord Vorkosigan es
verabscheute, Schwäche zu zeigen. Aber war Lord Mark über irgendetwas verärgert? Warum? Sie versuchte ein neutrales Thema zu finden. »Dann nennen Sie ihn also Ihren Bruder und nicht Ihren Genspender?«
»Das hängt davon ab, in welcher Stimmung ich bin.«
Da traf der Gegenstand ihres Gesprächs ein und machte der Konversation ein Ende. Lord Vorkosigan trug einen seiner feinen grauen Anzüge und blanke Halbstiefel. Sein Haar war ordentlich gekämmt, doch noch feucht, und seine von der Dusche erwärmte Haut sandte den leichten Duft - 187 -
seines Kölnischwassers aus. Dieser elegante Eindruck morgendlicher Energie wurde leider durch seine graue Gesichtsfarbe und die geschwollenen Augen Lügen gestraft; die allgemeine Wirkung war die einer
wiederbelebten Leiche, die man für eine Party angezogen hatte. Er brachte ein makabres Lächeln in Ekaterins Richtung zustande, dann schielte er misstrauisch seinem Klonbruder zu und ließ sich steif in einen Lehnsessel zwischen beiden sinken. »Uff«, bemerkte er.
Auf erschreckende Weise sah er genauso aus wie an
jenem Morgen danach auf Komarr. es fehlten nur die
Blutflecken und die schorfigen Narben. »Lord Vorkosigan, Sie hätten nicht aufstehen sollen!«
Er gab ihr ein kleines Zeichen mit den Fingern, das sowohl Zustimmung als auch Ablehnung hätte bedeuten können, dann erschien hinter ihm Pym, in den Händen ein Tablett mit Kaffeekanne, Tassen und einem mit einem hellen Tuch bedeckten Korb, aus dem ein verlockender Duft von warmem, gewürztem Brot aufstieg. Ekaterin beobachtete fasziniert, wie Pym die erste Tasse eingoss und die Hände seines Herrn darumlegte; Lord Vorkosigan nippte, sog den Geruch ein – es sah aus, als wäre dies sein erster Atemzug an diesem Tag –, dann nippte er erneut, blickte auf und blinzelte. »Guten Morgen, Madame Vorsoisson.« Seine Stimme klang nur ein wenig wie unter Wasser.
»Guten Morgen – oh…«Pym goss auch ihr eine Tasse
ein, bevor sie ihn daran hindern konnte. Lord Mark löschte seine KomKonsolen-Graphen und gab Zucker und Milch in seinen Kaffee, dann betrachtete er seinen Genspender - 188 -
Bruder mit unverhohlenem Interesse. »Danke«, sagte
Ekaterin zu Pym.
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