Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
erlassen, die ihren Distrikt wechseln und ihren Lehenseid auf den neuen Distriktsgrafen übertragen wollen. Da jeder der sechzig Distriktsgrafen auf Kosten seiner Mitgrafen Bewohner in seinen Distrikt locken wollte, ist es Papa irgendwie gelungen, dieses Gesetz durch den Rat der Grafen zu bringen, obwohl jeder zu verhindern versuchte, dass seine eigenen Lehensleute ihn verließen.
Nun hat ja jeder Graf eine Menge Ermessensspielraum, wie er seinen Distrikt leitet, wie er seine Distriktsregierung bildet, wie er die Steuern festsetzt und die Wirtschaft fördert, welche Dienste er seinen Leuten anbietet, ob er den Progressiven oder den Konservativen folgt oder einer Partei seiner eigenen Erfindung wie dieser Dummkopf Vorfolse drunten an der Südküste, und so weiter und so fort. Mutter bezeichnet die Distrikte als sechzig verschiedene sozialpolitische (und ich würde auch noch hinzufügen: ökonomische) Versuchsanordnungen.«
»Diesen Aspekt habe ich untersucht«, warf Lord Mark
ein. »Das spielt nämlich eine Rolle bei der Entscheidung, wo ich meine Investitionen unterbringe.«
Vorkosigan nickte. »Praktisch gab dieses neue Gesetz
jedem kaiserlichen Untertanen das Recht, mit seinen Füßen über die lokale Verwaltung abzustimmen. An jenem Abend, als das Gesetz angenommen worden war, tranken unsere Eltern Champagner zum Dinner, und Mutter
lächelte tagelang. Ich muss ungefähr sechs gewesen sein, denn wie ich mich erinnere, lebten wir damals hier. Die langfristige Wirkung war, wie man sich vorstellen kann, ein ausgesprochen biologischer Wettbewerb. Graf Vor - 192 -
Progressiv macht es für seine Leute gut, sein Distrikt wächst, seine Einnahmen nehmen zu. Sein Nachbar Graf Vor-Schwerfällig macht es seinen Leuten zu schwierig, aus seinem Distrikt tröpfeln die Leute davon wie aus einem Sieb, und seine Einnahmen gehen zurück. Und er erntet kein Mitgefühl von seinen Mitgrafen, denn sein Verlust ist ihr Gewinn.«
»Aha«, sagte Mark. »Und gewinnt nun der Vorkosigan-Distrikt oder verliert er?«
»Wir treten einfach auf der Stelle, glaube ich. Wir haben schon immer Leute an das Wirtschaftszentrum Vorbarr Sultana verloren. Und eine Menge Loyalisten ist letztes Jahr dem Vizekönig nach Sergyar gefolgt. Andrerseits haben die Distriktsuniversität und neue Hochschulen und medizinische Komplexe in Hassadar große Anziehungskraft ausgeübt. Jedenfalls war Graf Vormuir schon lange Zeit ein Verlierer in diesem demographischen Spiel.
Deshalb hat er zu einer persönlichen – ich würde sogar sagen: sehr persönlichen – Lösung gegriffen, die er in seiner Vorstellung als überaus fortschrittlich betrachtet.«
Ekaterins Tasse war leer, doch sie hatte keine Lust mehr zu gehen. Sie hätte Lord Vorkosigan stundenlang zuhören können, wenn er so redete wie jetzt. Jetzt war er völlig wach und lebendig, in seine Geschichte vertieft.
»Vormuir«, fuhr Vorkosigan fort, »kaufte sich dreißig
Uterusreplikatoren und importierte einige Techniker, die sie betreiben sollten. Er begann sozusagen seine eigenen Lehensleute zu produzieren. Seine eigene persönliche Kinderkrippe, doch nur mit einem einzigen Samenspender.
Dreimal dürft ihr raten.«
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»Vormuir?«, sagte Mark.
»Kein anderer. Es handelt sich vermutlich um das
gleiche Prinzip wie bei einem Harem. Ach ja, im
Augenblick produziert er nur kleine Mädchen. Der erste Schub ist fast zwei Jahre alt. Ich habe sie gesehen.
Schrecklich hübsch, en masse. «
Ekaterin machte große Augen bei dieser Vorstellung
eines ganzen lärmenden Kaders junger Mädchen. Die
Wirkung musste irgendwie wie ein Garten von Kindern
sein, oder – abhängig vom Lärmpegel – wie eine Kindergranate. Ich habe mir immer Töchter gewünscht. Nicht nur eine, sondern viele – Schwestern, die sie niemals hatte.
Jetzt ist es zu spät. Keine mehr für sie, Dutzende für Vormuir – das Schwein. Das war nicht fair! Verwirrt stellte sie fest, dass sie eigentlich Empörung empfinden sollte, doch was sie wirklich empfand, war empörter Neid. Was hatte eigentlich Vormuirs Frau – halt mal! Sie zog die Augenbrauen tiefer. »Woher bekommt er denn die Eizellen? Von seiner Gräfin?«
»Das ist der nächste kleine juristische Haken in diesem Durcheinander«, fuhr Vorkosigan begeistert fort. »Seine Gräfin, die vier eigene halb erwachsene Kinder – von ihm – hat, möchte mit dieser Sache nichts zu tun haben.
Tatsächlich redet sie nicht mehr mit ihm und ist
ausgezogen. Einer seiner Gefolgsleute
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