Vorkosigan 17 Diplomatische Verwicklungen
Sie gerne bei Ihnen zurückbleiben, Mylord?«, schlug Roic versuchsweise vor.
»Wir alle suchen seit Wochen nach dem armen Kerl«,
erwiderte Miles entschlossen. »Wenn er das ist, dann möchte ich der Erste sein, der es erfährt.« Er gestattete jedoch Roic und Venn, dass sie ihm von der Technikabteilung durch die Schleusen in den Rumpf mit dem Necklin-Feldgenerator vorausgingen.
An der Schleuse zog Venn seinen Betäuber und bezog
Stellung. Roic spähte durch das Guckloch in der inneren Tür der Luftschleuse. Dann drückte seine Hand die Schleusensteuerung herunter, die Tür öffnete sich, und Roic schritt hindurch. Einen Moment später erschien er wieder und schleifte den schweren Arbeitsanzug hinter sich her.
Mit der Gesichtsscheibe nach oben legte er ihn auf den Boden des Korridors.
Miles trat näher heran und spähte auf die Gesichtsscheibe.
Der Anzug war leer.
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»Öffnen Sie ihn nicht!«, rief Venn erschrocken. »Das hatte ich nicht vor«, erwiderte Miles sanft. Nicht für alles Geld der Welt.
Venn schwebte näher heran, schaute über Miles’ Schulter hinweg hinunter und fluchte. »Der Mistkerl ist entkommen! Aber zur Station oder zu einem Schiff?« Er wich zurück, steckte seinen Betäuber in eine Tasche seines grünen Anzugs, und begann in den Kommunikator seines Helms zu brabbeln: er alarmierte sowohl den Sicherheitsdienst der Station und die Quaddie-Miliz, sie sollten alles verfolgen, anhalten und beschlagnahmen – Schiff, Kapsel oder Shuttle –, was in den letzten drei Stunden auch nur seine Ruhezone an der Außenseite der Station verlagert hatte.
Miles stellte sich die Flucht vor. Hatte der Ba sich vielleicht in dem Reparaturanzug wieder an Bord der Station begeben, bevor Greenlaw die Quarantäne verhängt hatte?
Ja, vielleicht. Das Zeitfenster war schmal, aber es war möglich. Aber wie hatte er in diesem Fall den Anzug zu dem Versteck außerhalb der Idris zurückgebracht? Es wäre für den Ba sinnvoller gewesen, wenn er von einer Personenkapsel abgeholt worden wäre – von denen sausten dort draußen ständig jede Menge umher – und dann den Anzug mit einem Traktorstrahl in sein Versteck befördert oder ihn von jemand anderem in einem weiteren energiegetriebenen Anzug hätte abschleppen und wegstecken lassen.
Aber die Idris stand wie alle anderen barrayaranischen und komarranischen Schiffe unter Bewachung durch die 346
Quaddie-Miliz. Wie oberflächlich war diese Bewachung von außen? Bestimmt nicht so unaufmerksam. Doch eine Person, eine große Person, die in diesem Steuerkabuff saß und die Joysticks bediente, hätte durchaus den Anzug zur Luftschleuse hinausgehen und schnell um den Rumpf herumfliegen lassen und ihn dann geschickt genug verstecken können, dass er der Aufmerksamkeit der Milizwachen entging. Dann mochte er von dem Sitz aufgestanden sein und
…?
Miles juckten die Handflächen in seinen Handschuhen wie verrückt, und er rieb sie aneinander in dem vergeblichen Versuch, sich Erleichterung zu verschaffen. Er hätte alles dafür gegeben, sich seine Nase reiben zu können.
»Roic«, sagte er langsam, »erinnern Sie sich, was der hier«, er stieß mit der Fußspitze gegen den Reparaturanzug,
»in der Hand hatte, als er zur Luftschleuse hinausging?«
»Hm … nichts. Mylord.« Roic drehte sich leicht und
warf Miles durch seine Gesichtsscheibe hindurch einen fragenden Blick zu.
»Das habe ich mir doch gedacht.« Ganz recht.
Wenn Miles’ Vermutung stimmte, dann hatte sich der
Ba vom bevorstehenden Mord an Gupta abgewandt, um die Chance zu ergreifen. Bel dazu zu benutzen, um wieder an Bord der Idris zu gelangen und etwas – was? – mit seiner Fracht anzustellen. Sie zu vernichten? Der Ba hätte sicher nicht so lange gebraucht, um die Replikatoren mit einem geeigneten Gift zu impfen. Er wäre sogar in der Lage gewesen, zwanzig auf einmal zu erledigen, wenn er die giftige Substanz in das Ernährungssystem eines jeden Regals gegeben hätte. Oder – noch einfacher, wenn er nur die ihm 347
Anvertrauten hätte töten wollen – er hätte einfach alle Ernährungssysteme abschalten können, eine Arbeit von nur wenigen Minuten. Aber individuelle Zellproben zum Einfrieren zu entnehmen und zu kennzeichnen, ja, das konnte durchaus die ganze Nacht und auch noch den ganzen Tag gedauert haben. Wenn der Ba alles riskiert hatte, um das zu tun, würde er dann das Schiff ohne seinen Kühlkoffer in der Hand verlassen?
»Der Ba hatte über zwei Stunden, um eine Flucht zu
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