Vorkosigan 17 Diplomatische Verwicklungen
Hände anerkennend nach oben, dann
schlüpfte sie aus dem kleinen Büro hinaus.
»Sollten Sie nicht lieber zu Hause warten?«, schlug Venn Nicol vor. »Dort wäre es für Sie doch sicherlich bequemer. Sobald wir Ihren Partner finden, rufen wir Sie an.«
Nicol holte Luft. »Ich würde lieber hier bleiben«, sagte sie entschlossen. »Nur für den Fall … nur für den Fall, dass bald etwas geschieht.«
»Ich werde dir Gesellschaft leisten«, bot Miles an. »Zumindest eine kleine Weile.« Da sollte Venn doch mal versuchen, Miles’ diplomatisches Gewicht beiseite zu schieben.
Zumindest gelang es Venn, sie aus seinem Büro hinauszuschieben, indem er sie in einen privaten Wartebereich führte, von dem er sagte, man sei hier ungestörter. Ungestörter für Venn jedenfalls …
Miles und Nicol blieben zurück und betrachteten einander in besorgtem Schweigen. Was Miles am meisten wissen wollte, war, ob Bel zurzeit noch eine weitere KBS-Sache am Laufen hatte, die vielleicht gestern Abend unerwartet akut geworden war. Aber er war sich nach wie vor sicher, dass Nicol nichts von Bels zweiter Einkommens-und auch Gefahrenquelle wusste. Außerdem war dies
Wunschdenken. Wenn irgendeine Sache akut geworden
war, dann höchstwahrscheinlich der aktuelle Schlamassel.
Der inzwischen so verwickelt war, dass sich jedes von Miles’ Nackenhaaren senkrecht sträubte.
Bel war aus seiner früheren Karriere fast unbeschadet davongekommen, trotz Admiral Naismiths manchmal leta245
lem Nimbus. Dass der betanische Hermaphrodit so weit gekommen war, der Wiedergewinnung eines Privatlebens und einer persönlichen Zukunft so nahe gekommen zu sein, und jetzt nur seine Vergangenheit wie ein blindes Schicksal nach ihm gegriffen hatte und alles zerstören sollte … Miles schluckte Schuldgefühl und Besorgnis hinunter und hielt sich davon zurück, Nicol gegenüber mit einer unbesonnenen und zusammenhanglosen Entschuldigung herauszuplatzen. Gewiss war gestern Abend Bel irgendwem oder irgendwas begegnet, aber Bel war schnell und clever und erfahren; Bel konnte damit fertig werden. Bel war früher immer mit allem fertig geworden.
Doch selbst das Glück, das man sich schmiedete, ging manchmal zu Ende …
Nicol unterbrach das gespannte Schweigen, indem sie Roic eine willkürliche Frage über Barrayar stellte, und der Gefolgsmann erwiderte mit schwerfälligem, aber freundlichem Geplauder, um sie von ihrer Anspannung abzulenken. Miles blickte auf seinen Kommunikator am Handgelenk. War es zu früh, um Ekaterin anzurufen?
Was sollte er verdammt noch mal überhaupt als Nächstes tun? Er hatte geplant, diesen Vormittag mit Vernehmungen unter Schnell-Penta zu verbringen. All die Fäden, von denen er gedacht hatte, er habe sie in der Hand und flechte sie hübsch zusammen, waren zu beunruhigend ähnlichen abgeschnittenen Enden gelangt: Firka verschwunden, Dubauer verschwunden, und jetzt auch noch Bel verschwunden. Und Solian, nicht zu vergessen! Trotz all ihrer irrgartenartigen Ungeplantheit war die Station Graf doch gar nicht so groß. Waren sie alle von demselben Verließ 246
verschluckt worden? Wie viele Verließe konnte denn dieses verdammte Labyrinth haben?
Zu seiner Überraschung wurde er in seiner frustrierten Selbstquälerei von der Nachtschichtleiterin unterbrochen, die zu einer der runden Türen den Kopf hereinsteckte. War sie nicht schon nach Hause gegangen?
»Lord Auditor Vorkosigan, könnten wir Sie einen Moment sprechen?«, fragte sie in höflichem Ton.
Er bat Nicol. ihn zu entschuldigen, und schwebte hinter Teris Drei her. Roic folgte ihm pflichtbewusst. Sie führte sie durch einen Korridor zurück in Venns nahe gelegenes Büro. Venn beendete gerade einen Anruf über KomKonsole und sagte: »Er ist hier, er ist aufgeregt, und er rückt mir auf die Pelle. Es ist Ihre Aufgabe, mit ihm umzugehen.« Er blickte über die Schulter und brach die Verbindung ab. Miles sah gerade noch, wie über der Vid-Scheibe die Gestalt von Eichmeisterin Greenlaw, in eine Art Bademantel gehüllt, mit Gefunkel verschwand.
Als die Tür sich wieder zischend hinter ihnen schloss, drehte sich die Schichtleiterin mitten in der Luft um und erklärte: »Der Polizist, den Sie beauftragten, Hafenmeister Thorne gestern Abend zu begleiten, berichtet, dass Thorne ihn wegschickte, als sie zum Gelenk kamen.«
»Zum was?«, fragte Miles. »Wann? Warum?«
Sie blickte zu Venn hinüber, der ihr mit einer Geste bedeutete, sie solle fortfahren. »Das Gelenk ist eine unserer
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