Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau. Roman
seiner Uniform in einer Blechkiste hinter dem Pfänderhof vergraben, weil es ihnen das Sicherste schien, und jetzt wühlte er unter den skeptischen Blicken der Soldaten danach, mit bloßen Händen am Schluss, und Ludwig half dem jungen Mann dabei, in der kummervollen Gewissheit, dass jeder Klumpen Erde ihn der Einsamkeit in Pildau näherbrachte. Es war erstaunlich, zu sehen, wie sich das Verhalten der Männer veränderte, nachdem Stuart sich ausgewiesen hatte und den Absturz schilderte. Jetzt waren sie richtig interessiert, jetzt sahen sie die Umgebung und auch den anderen Pildauern gerade ins Gesicht, ihr Englisch war weicher, die Worte griffen so schön ineinander, und es war auch, als würde sich Stuarts eigene Sprache in diese Umarmung hineinstürzen. Er erzählte seine Geschichte, Max übersetzte für die anderen ein paar Teile, die er verstand, und schon daran erkannte Ludwig, wie lange Stuart diese Sätze vorbereitet haben musste. Er betonte die freundliche Aufnahme nach dem Absturz, die Versorgung in Pildau, dichtete den Honigbrods eine kleine Widerstandsnote an und lächelte Ella dabei zu. Die Soldaten wurden immer freundlicher, Stuart bat Ludwig, ihnen doch den Rübenernter vorzustellen, und auf unsicheren Beinen ging Ludwig den Männern zur Scheune voran, einen Weg, den er in den letzten Jahrzehnten schon so oft gegangen war, tags und nachts, bei Schnee und brennender Hitze, und doch war es ihm dieses Mal, als würde er alles daran, jeden Stein, jedes Grasbüschel, besonders wahrnehmen. Er war der Wiggerl von Pildau, nichts anderes. Die beiden Amerikaner blieben vor der Hofstange stehen und riefen Stuart viele Fragen zu, auf die er immer nur bedauernd die Schultern heben konnte. Als Ludwig die Scheunentore beiseiteschob, leuchtete die fahle Märzsonne ins Gebälk und ließ den Rübenernter noch großartiger aussehen. Der Lieutenant und sein Adjutant ließen sich alles erklären, und Ludwig vergaß darüber, dass sie keines seiner Worte verstanden, so freundlich folgten sie seinen Händen, die über den Apparat strichen. Er zog die Drahtseile im Steuerstand, und die Klappen öffneten sich, er drehte die Sortier- und Reinigungstrommel, und am Ende ließ er den englischen Motor an. Der Lieutenant machte sich Notizen in ein kleines Buch, Stuart erzählte später, dass der Mann früher auch Landwirt gewesen war. Sie boten Stuart an, mit ihnen zu kommen, aber als er zögerte, versprachen sie immerhin eine rasche Weitergabe seines Falles. Als Ergebnis ihrer Befreiung erhielten die Pildauer zwei Briefe. In dem einen bekam Stuart Passierscheine und den Befehl, sich in der britischen Besatzungszone zu melden. Der zweite Brief ging an Ludwig Honigbrod und enthielt die freundliche Aufforderung, mit den Patenten, Plänen und Modellen seiner Landmaschine unverzüglich vor einem Verwaltungsstab in der Stadt vorzusprechen.
Er nahm die Pläne von der Scheunenwand, sie waren feucht geworden und wellten sich gelb, aber sie passten gefaltet in den Pappkoffer. Er hatte nur noch einen Anzug, der ihm jetzt doch überall zu groß war, aber das war die Mode. Wo er auch aus dem Zugfenster blickte, fehlten der Kleidung ihre früheren Menschen. Patente und Modelle hatte er keine. Es gab einen Dolmetscher und vier Männer in Uniform. Sie saßen in einem Raum, der früher eine Schule gewesen sein mochte, und Ludwig stand schmal und aufgeregt an der Kreidetafel und antwortete auf die Fragen der Soldaten, die sich sehr genau um die Fördermenge, Reichweite, Spurbreiten und den Wendekreis des Ernters drehten. Obwohl Ludwig diese Dinge noch nie ausprobieren konnte, hatte er auf jede der Fragen eine Antwort, so genau war die Maschine seit der Zeit im Erdkeller in seinem Kopf, so oft hatte er sie schon in Gedanken fahren lassen. Er bat nur den Dolmetscher, gewissenhaft zu jeder der genannten Zahlen hinzuzufügen, dass die genauen Maße vor Ort nachzumessen wären, wie es auch auf alten Bauplänen von Architekten stand, die er in seinen Monatsheften gehabt hatte. Am Ende gaben sie ihm die Hand, er füllte einige Formulare aus, was ihm Mühe bereitete. Er würde Papiere bekommen und einen Reisepass, versicherten die Männer. Ludwig wischte das alles beinahe ungeduldig zur Seite und bat den Dolmetscher, nach den Möglichkeiten eines ausgedienten Raupenfahrwerks zu fragen oder eines Panzers, er könnte die Demontage auch selbst vornehmen. Als der Dolmetscher diese Frage übersetzt hatte, sahen sich die Herrschaften belustigt an und klopften
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