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Vorn

Titel: Vorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bernard
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vertrauten Buchstaben zu erkennen, so als sei
     es ihnen selbst nicht ganz geheuer, plötzlich solche Öffentlichkeit zu erlangen. Auf einmal war sein Name mit dem Glanz der
     Autorschaft im
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überzogen, gedruckt in jenen schlanken Großbuchstaben, wie sie immer unter den Artikeln im Heft standen.
     
    Ein paar Tage zuvor war es doch noch einmal fraglich gewesen, ob es mit seinem ersten
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Text klappen würde. Tobias hatte, bevor die Ausgabe in Druck gehen sollte, noch einige kleine Veränderungen vornehmen wollen.
     Susanne sagte am Telefon, das sei in Ordnung, er solle den Artikel aber spätestens bis Dienstag um elf Uhr faxen oder vorbeibringen.
     Am Vormittag des Dienstags verzettelte sich Tobias jedoch am Computer zu Hause mit seinen Korrekturen, fand keinen guten Schluss
     mehr, und als er es doch noch hinbekam, sah er, dass es schon zehn vor elf war. Panisch rief er ein Taxi, bat den Fahrer immer
     wieder, sich zu beeilen, und stürzte in das Redaktionsgebäude hinein. Als er Susanne – es war genau sieben nach elf – an ihrem
     Schreibtisch antraf, telefonierte sie gerade in aller Ruhe und nahm sein Manuskript ohne jede Eile oder Verärgerung mit freundlichem
     Nicken entgegen. Tobias hatte keinerlei Vorstellung von der Produktionsweise eines wöchentlichen Magazins, und bald schon
     erinnerte er sich an diese Taxifahrt mit einer gewissen Verlegenheit. Denn als ihm die Abläufe in der Redaktion klarer wurden, |38| verstand er, dass die von Susanne zwischen Tür und Angel hingeworfene Zeitangabe nichts Verbindliches hatte. Die Abgabe des
     Artikels am Dienstagnachmittag, ja sogar im Lauf des Mittwochs oder Donnerstags hätte nicht das geringste Problem verursacht;
     Tobias bekam außerdem auch schnell mit, dass der Abgabetermin desto vorsichtiger festgesetzt wurde, je unbekannter der Autor
     in der Redaktion war. Von all diesen Regelungen wusste er aber noch nichts.
     
    Nachdem die Flipper-Geschichte und das Kurzporträt des Skaters erschienen waren, kam in Tobias der Ehrgeiz auf, in fast jeder
     Ausgabe vertreten zu sein, die verschiedenen Rubriken nach und nach wenigstens einmal zu füllen. In seinem Enthusiasmus, so
     viel wie möglich für das Heft zu arbeiten, war er aber auch anfällig für Kränkungen, etwa wenn er erst nachträglich erfuhr,
     dass in einem kleinen Kreis von Redakteuren und freien Autoren Themen besprochen oder Vorschläge für Sonderhefte diskutiert
     worden waren. Tobias wollte so nah es ging an der Gestaltung jedes Hefts beteiligt sein, allein schon deshalb, weil sich jetzt
     die ersten Resonanzen auf seine Artikel zeigten, und er bemerkte, wie viel das
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zumindest in München und dem Umland tatsächlich gelesen wurde. Eindrucksvoll war für Tobias vor allem der Moment, als er an
     einem Freitagabend mit Undone in einer niederbayerische Kleinstadt ankam, in einem Landgasthof, in dem manchmal auch Konzerte
     veranstaltet wurden. Wie immer suchten ein paar Bandmitglieder vor dem Auftritt nach einem Flipper, und als sie im Keller
     des Gasthofs tatsächlich einen aufgespürt hatten, sah Tobias schon von weitem zwei DIN-A4-Blätter |39| neben dem Apparat hängen. Er ging auf das Gerät zu und erkannte seinen Artikel, den jemand kopiert und dort angebracht hatte.
     Seine Gedanken im
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waren also hier, ungefähr hundert Kilometer von München entfernt, als die amtlichen Beobachtungen über das Flippern ausgestellt.
     
    Was genau aber machte das
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Magazin für viele Leute so bedeutsam? Das Heft schien, wie sein Name ja auch behauptete, tatsächlich ganz auf der Höhe der
     Zeit zu sein, war wie ein verlässlicher Indikator der Gegenwart, der auf seine Leser große Anziehungskraft ausübte. Das wurde
     allein an der Menge von Besuchern deutlich, die Tag für Tag in der Redaktion auftauchte – vor allem nach dem Umzug in eigene
     Büroräume zu Beginn des neuen Jahres, in ein separates Gebäude nahe des Zeitungshauses. Ständig kamen freie Autoren vorbei,
     Fotografen, Redakteure aus dem »Haupthaus« der Tageszeitung, wie es hieß, aber auch befreundete DJs, die von neuen Clubs erzählten
     und die Redaktion zu den Eröffnungspartys einluden. Es gab im
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einige Mitarbeiter, die dieses absolut Zeitgemäße auch wirklich verkörperten. Carla Bertoni etwa und ihre Mitbewohnerin Anne
     Krausnick, ebenfalls eine feste Autorin des Hefts: zwei Mädchen Mitte zwanzig, die bis auf ihre Haarfarbe – die eine schwarz,
     die andere hellbraun – fast identisch aussahen. Sie

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