Vorsätzlich verliebt
trifft.«
»Ehrlich?«
Oh, Hilfe, einfach atmen … und noch mal atmen …
Stella warf einen letzten prüfenden Blick auf die Handtasche, dann gab sie sie zurück. »Ich kann nur sagen, dass er sich in Acht nehmen sollte. Danke, ich nehme die Tasche doch nicht. Der Verschluss an der Vorderseite sieht billig aus.«
Es war zu herrlich, wie die Kinder aus dem Schulgebäude herausströmten. Zehn Minuten nach vier wurde die Stille vom Läuten der Schulglocke erschüttert, und elf Minuten nach vier ergossen sich die Schüler über die Stufen von Harleston Hall, beladen mit schweren Schulranzen, Musikinstrumenten und ausladenden Sporttaschen.
Tilly lehnte am Wagen, während sie auf Lou wartete, und beobachtete, wie Scharen von Mädchen ihre Haargummis lösten und ihre Mähnen schüttelten. Horden von Jungs mit absichtlich herausgezogenen Hemden und verwuschelten Haaren schlenderten an ihr vorbei. Manche hatten schon ihre iPods eingestöpselt. Es wurde viel gesimst. Mädchen musterten Jungs, und Jungs warfen Dinge nach Mädchen. Eine Dose Red Bull flog durch die Luft und traf einen der Ahornbäume, die die Auffahrt säumten, woraufhin die Dose in einen Geysir aus Schaum explodierte. Es gab Schüler in allen Formen und Größen, Ungepflegte mit schlechter Haut, coole Mädchen mit hochgerollten Röcken und schwarzumrahmten Augen, selbstsichere sportliche Typen, ernsthafte Strebertypen, fröhliche Witzbolde.
Und dort kam Lou, die Gute, die Treppe heruntergelaufen, kämpfte gleichzeitig damit, ihren Schulschal um den Hals zu schlingen und ihre Turnschuhe in ihren Rucksack zu stopfen. Tilly fragte sich, ob es sich so anfühlte, eine stolze Mutter zu sein. Lou schien lebhafter, interessierter als alle anderen. Mit ihren wilden roten Locken und den knochigen Beinen in den mattschwarzen Strümpfen und klobigen Schuhen hob sie sich vom Rest ab. Sie war vielleicht nicht das hübscheste Mädchen an der Schule, aber zweifellos das Mädchen mit der strahlendsten Persönlichkeit.
Tilly stieß sich vom Wagen ab und konzentrierte sich auf Lou, die sich jetzt umdrehte und etwas zu dem Jungen hinter ihr sagte, eindeutig als Antwort auf eine Bemerkung, die er gemacht hatte. Der Junge war groß und schlaksig, grinste und trug einen Tennisschläger. Als Lou herumwirbelte, fiel einer ihrer Turnschuhe aus ihrem Rucksack, und unglaublich reaktionsschnell fuhr er mit seinem Schläger nach unten, erwischte den Schuh und schlug ihn in die Luft. Selbst aus dieser Entfernung sah Tilly den Blick, mit dem Lou ihn bedachte, als ihr Turnschuh in der Hecke landete. Sie schüttelte angewidert den Kopf, stolzierte an dem Jungen vorbei und sammelte den Schuh wieder ein. Der Junge lachte, sagte noch etwas, und Lou warf ihre Haare zurück, als sie ihm antwortete.
Tilly lächelte. Sah aus, als hätte Kaye recht. Während sie Lous Reaktion auf die Aufmerksamkeit des Jungen beobachtete, löste das Erinnerungen an ihren eigenen zögerlichen Vorstoß in die furchteinflößende, aber aufregende Welt der Jungs aus. Ihre Nemesis hatte Lee Jarvis geheißen und sie ununterbrochen geneckt, was sie in den Wahnsinn trieb. Wie konnte ein 14 -jähriger Junge nur so dermaßen irritierend sein? Doch nachdem er monatelang der Fluch ihres Lebens gewesen war, besuchte sie mit ihm die Schuldisco. Und irgendwie schien er auf einmal nicht mehr ganz so irritierend, und irgendwie flüsterte Lee irgendwann in ihr Ohr: »Weißt du, ich stehe schon seit Ewigkeiten auf dich.« Und zu ihrem eigenen Erstaunen war ihr klargeworden, dass sie auch auf ihn stand. Und dort, mitten auf der Tanzfläche
vor allen anderen
und während George Michael
Careless Whisper
sang, hatten sie sich tatsächlich geküsst,
mit Zunge …
Und leider auch mit Zahnspangen. Es hatte einen kurzen unangenehmen Zusammenprall gegeben, bei dem Metall auf Metall schlug, aber zu guter Letzt bewerkstelligten sie es um die Zahnspangen herum.
Tilly ging ganz in ihrem nostalgischen Glühen auf, versunken in die Erinnerung an den glücklichen Sommer knisternder, metallischer Küsse, daher schrak sie zusammen, als Lou plötzlich vor ihr stand.
»Buh! Wo waren Sie denn in Gedanken?«
»Tut mir leid, ich musste gerade an meine eigene Schulzeit denken. Scheint schon Ewigkeiten her.«
»Es
ist
Ewigkeiten her. Sie waren ja schon mit der Schule fertig, da war ich noch gar nicht geboren.« Neugierig fragte Lou: »Fühlen Sie sich jetzt richtig alt?«
»Ja, danke, das tue ich.« Tilly stieg in den Wagen, sah dabei über
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