Vorsätzlich verliebt
übten unsere neuen Nachnamen in unseren Schulheften. Hm, Nick Castle ist ziemlich süß, wie klingt Tilly Castle? Oder Liam Ferguson mit den langen Wimpern. Moment, probieren, wie es passt – Tilly Ferguson …« Sie tat so, als tätige sie schwungvoll ihre Unterschrift. »He, das sieht toll aus, wir müssen unbedingt heiraten!«
Jack meinte ernsthaft: »Siehst du, wir Jungs haben das nie getan.«
»Tja, ihr wisst gar nicht, was euch entgangen ist. Das war spaßig! Man konnte auch noch andere Dinge machen, um herauszufinden, wie glücklich man miteinander werden würde. Wir haben unsere Namen übereinander geschrieben und dann alle Buchstaben ausgestrichen, die man gemeinsam hatte. Die Buchstaben, die übrig blieben, haben wir addiert und die Summe des Mädchens durch die Summe des Jungen geteilt, und wenn eine ganze Zahl herauskam, ergab man ein perfektes Paar.«
Sein Gesichtsausdruck war unbeschreiblich. »Du nimmst mich auf den Arm. Das habt ihr ehrlich getan?«
»Und wie oft!« O ja, jetzt fiel ihr alles wieder ein. »Wenn man nicht die erhoffte Antwort erhielt, musste man den zweiten Vornamen des Jungen herausfinden, ihn in die Gleichung einarbeiten und noch mal von vorn anfangen.«
Jack war fassungslos. »Moment mal! In der Schule bin ich von Mädchen auch nach meinem zweiten Vornamen gefragt worden!«
»Jetzt weißt du, warum. Die haben das auch gemacht. Aber sieh es positiv«, fuhr Tilly fort, »dieses endlose Herumrechnen hat uns in Mathe wirklich fitgemacht.«
Belustigt fragte Jack: »Machen Mädchen das heutzutage auch noch?«
»Keine Ahnung, ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht. Wir müssen Lou fragen.« Tilly grinste. »Ich weiß, mit welchem Namen sie anfangen wird: Eddie Marshall-Hicks.«
»Lou hat einen Freund?« Er klang schockiert.
»Noch nicht. Wenn du Lou fragst, wird sie dir antworten, dass sie ihn hasst. Aber wir haben sie zusammen in der Schule gesehen. Sie flirten, jagen einander und tun trotzdem so, als sei nichts. Es ist so süß. Ganz offensichtlich mögen sie sich, aber sie bringen es nicht über sich, das auch zuzugeben.«
Jack nickte verständnisvoll, dann legte er den Kopf schräg. »Ging dir das nie so?«
Moment mal, war das eine Fangfrage? Meinte er damit jetzt und hier? Mit ihm?
»Gott, ja.« Tilly nickte heftig. »Mit fünfzehn war ich in diesen Jungen verknallt, der morgens immer im selben Bus fuhr wie ich. Er hat immer zu mir herübergesehen, und ich habe immer zu ihm hinübergesehen. Das ging wochenlang so, und ich wusste, dass er mich mochte. Irgendwann fing er an zu lächeln und ›Hallo!‹ zu sagen, und vor Aufregung bin ich jeden Morgen beinahe in Ohnmacht gefallen. Ich wusste nichts von ihm, aber er war der Mittelpunkt meiner Welt. Ich stellte mir vor, dass wir für immer zusammenbleiben würden. Wir würden heiraten und drei Kinder haben, zwei Mädchen und einen Jungen. Und jeden Tag fing ich eine imaginäre Unterhaltung mit ihm an, die den Ball ins Rollen bringen sollte. Aber im wahren Leben saß ich einfach nur da und wartete darauf, dass er den ersten Schritt machte, denn was, wenn ich ihn angesprochen und er mich schroff abgewiesen hätte?«
Meine Güte, woher kam das denn auf einmal? Sie hatte seit Jahren nicht an den Jungen aus dem Bus gedacht.
»Und wie ging es weiter?«
»Gar nicht. Monatelang fuhren wir jeden Morgen im selben Bus. Eines Tages kam er nicht mehr, und ich sah ihn niemals wieder.« Tilly schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich stellte mir gern vor, dass er von Außerirdischen entführt wurde. Ich konnte nicht glauben, dass er einfach so verschwand, ohne mich wissen zu lassen, wohin er ging. Zu guter Letzt kam ich zu dem Schluss, dass seine Eltern mit ihm ausgewandert waren. Sie sagten es ihm aber erst in allerletzter Sekunde und verfrachteten ihn dann gleich ins Flugzeug, darum hatte er nie die Chance, sich von mir zu verabschieden. Aber ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das damals mitnahm. Ich war völlig verzweifelt!«
»Und du hast nie auch nur seinen Namen erfahren? Wenn das in einem Film passiert wäre, würdest du ihn irgendwann zufällig wiedertreffen.«
»Aber wir sind nicht in einem Film, darum wird das nie passieren. Jedenfalls habe ich meine Lektion gelernt. Die Initiative ergreifen – keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen.«
»Und so bist du zu Max gekommen und wohnst jetzt hier in diesem Haus. Und du bist froh, dass du es gemacht hast, oder?« Er lehnte sich zurück, seine Augen
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