Vorsaison
ich bei Ernie eingezogen war! Ich hätte besser daran
getan, mir ein Zimmer im „Picasso“ zu mieten und nahm mir vor, dies gleich
morgen nachzuholen. Zwar hatte ich nichts von Ernies krimineller Vergangenheit
gewusst und hatte auch, ehrlich gesagt, immer noch Schwierigkeiten, das alles zu
glauben, denn ich hielt Ernie nicht für einen schlechten Menschen, aber ich
konnte nicht leugnen, gewusst zu haben, dass er Drogen verkaufte. Jedoch war
ich immer davon ausgegangen, dass Ernie dies auch nur im kleinen Stil getan hätte.
Doch so wie Peter sich nun ausgedrückt hatte, schien auch dies eher ein größeres
Geschäft gewesen zu sein. Wie hatte er sich doch auch gleich wieder
ausgedrückt-?, der Rest wäre ohnehin an einem sicheren Ort versteckt? Es
wurde wirklich Zeit für mich, dass ich auszog!
***
Keine dreißig Minuten später befand
ich mich auf dem Weg zur Guardia Civil! Unterwegs ging ich gedanklich nochmal
das durch, was ich sagen wollte. Mittlerweile hatte ich mich auch wieder
gesammelt und den Schock über Ernies Verhaftung einigermaßen verdaut! Und was
meinen Reisepass anging, so regte sich nun eher Ärger in mir! Was fiel
diesen spanischen Polizisten überhaupt ein, so einfach meinen Pass mitzunehmen?!
Durften die das überhaupt? Außerdem hatte ich nichts getan, was dies
gerechtfertigt hätte!
Als ich dann gegen halb zwei Uhr
nachmittags auf der Wache der Guardia Civil ankam, überwog Empörung und Ärger
die Angst und Nervosität. Man bat mich jedoch zuerst zu warten und ich wurde
auch gefragt, ob ich einen Dolmetscher benötigte. Ich nickte. Zwar hatte sich
mein Spanisch in den letzten Wochen merklich verbessert, aber so ganz ohne die Hilfe
eines Übersetzers wollte ich dieses Gespräch hier auf dem Polizeibüro nun doch
nicht führen. Der Dolmetscher ein ziemlich junger Spanier, mit einem dicken
Buch unter dem Arm, kam jedoch schon zwanzig Minuten später. Peter hatte mir
seinen Dolmetscher beschrieben und ich schlussfolgerte, dass dieser junge Mann
auch für Peter übersetzt hatte. Er stellte sich mir auf Deutsch als mein Dolmetscher
vor, ohne jedoch einen Namen zu nennen. Kurz darauf führte man uns dann in
einen winzigen Verhörraum, in dem sich nur ein alter Tisch und drei Metallstühle
befanden. Der Dolmetscher und ich nahmen vor dem Tisch nebeneinander Platz. Der
Dolmetscher wirkte dabei ein wenig fahrig und hielt sich an dem dicken Buch
fest, das nun auf seinen Oberschenkeln lag. Ich schlug meine Beine bewusst
übereinander. Dann betrachtete ich das Buch. Es war ein Wörterbuch: Deutsch-Spanisch
/ Spanisch-Deutsch. Also lächelte ich dem Dolmetscher zu und sagte zu ihm auf
Spanisch, ich hätte ein ähnliches Wörterbuch zu Hause und ich sei nach Spanien
gekommen, um Spanisch zu lernen. Der Dolmetscher lächelte flüchtig zurück. Ich
fragte mich, ob er immer so nervös war.
Es dauerte wieder circa eine halbe
Stunde, bis ein etwas älterer Polizist in Uniform mit zackigen Schritten hereinkam.
Unter dem Arm trug er eine dünne, braune Mappe. Er stellte sich als El
Comandante vor und fragte, ob wir café wollten. Ich lehnte ab und
der Dolmetscher ebenfalls. Mit einem heftigen Rumms schloss El Comandante
daraufhin die Tür, schritt mit zackigen Schritten um den Tisch herum, schob dann
den Stuhl zuerst über Steinboden, sodass das Metall dabei grässlich über den Boden
kratzte — und nahm Platz. Er saß mir nun genau gegenüber. Mein Stiefvater war
auch so ein Typ, der mit Lärm und imposantem Gehabe versuchte, andere
einzuschüchtern. Daran war ich gewöhnt und ich atmete auf. Aber irgendwoher
kannte ich diesen Comandante und ich überlegte fieberhaft, woher bloß.
El Commandante lächelte mir zu und mit
einem lauten Knall warf er gleich darauf die dünne Mappe aus braunem Karton auf
die abgenutzte Oberfläche des schäbigen Tisches. Der Dolmetscher neben mir zuckte
zusammen. El Comandante sah mich an, seufzte, machte ztz-ztz, schüttelte dabei
den Kopf und öffnete seine Mappe. Ich sah, dass sich ein deutscher Reisepass,
sowie einige teils maschinell, teils handschriftlich beschriebene Unterlagen
darin befanden. Anscheinend Kopien von irgendwas. El Comandante öffnete den Pass
und ich sah, dass es tatsächlich meiner war. Dann fragte er, ob ich Señora Sabrina Sowieso sei. Ich
bejahte, noch bevor der Dolmetscher etwas hätte übersetzen können. El
Comandante warf noch einmal einen Blick auf das Passfoto, auf dem ich noch
Dauerwelle trug, und dann wieder auf mich.
>>Die
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