Vorsaison
so schob ich den
Gedanken schnell beiseite. Dennoch fing ich an, mich in regelmäßigen Abständen
umzudrehen, konnte aber niemanden entdecken. Schließlich bekamen wir Hunger und
da wir gerade vor einer Pizzeria standen, gingen wir kurz entschlossen hinein
und suchten uns einen Tisch am Fenster. Die Speisekarte lag auf dem Tisch und
ich nahm sie mir. Corinna nahm sich die Karte von Nachbartisch. Immer noch ein
wenig paranoid, warf ich beim Lesen einen Blick, über den Rand der Karte, zum
Fenster hinaus — und da stand er wieder. Es war eindeutig der Mann aus der dunklen
Gasse! Er hielt nun einen zusammengefalteten Stadtplan in der Hand, dessen
Vorderseite gelb war und obwohl ich auf die Entfernung die orangen Buchstaben
darauf nicht lesen konnte, wusste ich, was dort geschrieben stand; das Wort
BARCELONA. Und da wusste ich plötzlich auch, wo ich diesen Mann schon einmal gesehen
hatte — nämlich heute Morgen im Bus. Zwar hatte er da noch eine schwarze, dünne
Jacke getragen, die er jetzt wahrscheinlich in seinen schwarzen Stoffrucksack
gesteckt hatte, aber den Stadtplan hatte er auch schon im Bus dabei gehabt.
Der Mann stand jetzt auf dem kleinen
Platz vor der Pizzeria und sah sich suchend um. Ich hielt meine Speisekarte
wieder höher und wies Corinna an, es mir nach zu tun. Corinna begriff jedoch
nicht.
>>Tu’s einfach!<<,
zischte ich. Weil ich nicht sehen konnte, ob Corinna meiner Aufforderung
nachkam, drehte ich meine Karte ein wenig mehr zum Fenster hin, sodass ich zumindest
Corinna wieder sehen konnte. Ihr Kopf wurde nun ebenfalls von der Speisekarte
verdeckt und zwar so, dass jemand, der von außen durch das Fenster sah, sie
nicht erkennen konnte. Corinna fiel mit ihren platinblonden Haaren natürlich
enorm auf! Sie wollte wissen, was denn überhaupt los sei und konnte dabei auch
ein Kichern wiedermal nicht unterdrücken.
>>Da draußen steht der Kerl aus
der dunklen Gasse von vorhin und sieht sich suchend um. Außerdem bin ich mir
sicher, den Typ auch schon heute Morgen im Bus gesehen zu haben und — ob du
es glaubst oder nicht — aber der Typ ist uns gefolgt, und wenn du mich
fragst, werden wir beschattet!<<
Auch Corinna riskierte einen raschen
Blick auf den Mann. Er hatte nun die Hände in die Hüften gestemmt und sah sich
um. Die Pizzeria lag an einem Platz und ringsherum gab es mehrere Restaurants
und Cafés. Beide lugten wir nun vorsichtig über den Rand unserer Karte. Wir
beobachteten, wie der Mann draußen sich in Bewegung setzte und in eine kleine
Bodega ging, gleich gegenüber der Pizzeria, in der wir saßen. Corinna ließ ihre
Karte sinken und sah mich grimmig an.
>>Das du dich auch immer so anstellst!
Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt! Und warum in aller Welt
soll uns auch jemand verfolgen?!<<, erklärte sie vorwurfsvoll. Ich
starrte immer noch wie gebannt auf den Eingang der Bodega und antwortete nicht.
Weil wir nun jedoch beide unsere Speisekarten wieder hatten sinken lassen und
auch nicht mehr hineinsahen, kam nun ein camarero an unseren Tisch und fragte,
ob wir schon gewählt hätten. Corinna wollte gerade ihre Bestellung aufgeben,
als ich den Typ wieder schnellen Schrittes aus der Bodega kommen sah. Erneut
blieb er auf den Platz stehen und sah sich um. Dabei drehte er sich langsam im
Kreis und blieb erst wieder stehen, als sein Blick genau auf die Pizzeria fiel!
Dann kam er schnurstracks auf uns zu.
>>Wir müssen auf der Stelle
verschwinden<<, zischte ich und unterbrach damit Corinna. Ich war
aufgesprungen und raffte schnell meine Einkäufe zusammen. Corinna blieb nichts
anderes übrig, als es mir nachzutun und dabei warf auch sie erneut einen Blick
aus dem Fenster. Der camarero stand derweilen total verwirrt vor unserem
Tisch. Ich fragte ihn nach einem Notausgang und wies mit dem Kopf in Richtung Fenster.
Dann fügte ich hinzu, dass Corinnas eifersüchtiger Freund hinter uns her wäre
und gerade dabei war, die Pizzeria zu stürmen. Auch der camarero sah nun
den Mann draußen, begriff und bedeutete uns, ihm zu folgen — gerade noch
rechtzeitig bevor unser Verfolger das Restaurant betrat! Der camarero führte uns weiter in das ziemlich große Restaurant hinein. Wir folgten ihm
durch die Küche und von dort in einen kleinen Hof, wo es fürchterlich nach
verdorbenen Lebensmitteln stank. Der camarero erklärte, hinter den großen
Müllcontainern sei eine schmale Gasse, die uns wieder auf eine der Einkaufsstraßen
führen würde. Wir bedankten uns bei ihm für
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