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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Die übrigen Wände waren mit Ölbildern und Drucken behängt, darunter die großen Seeschlachten von Abukir, Kopenhagen und Trafalgar; ein oder zwei von Lady Hamilton, unter anderem eine scheußliche Reproduktion von Romneys berühmtem Porträt, während zu beiden Seiten der Türen Gedenktafeln angebracht und die rußgeschwärzten Eichenbalken mit Reihen von verzierten Gedenkpokalen dekoriert waren, von denen – dem Leuchten der Farben nach – nur wenige Originale waren. Entlang der Oberkante einer Wand verlief eine Schnur von Wimpeln, die vermutlich den berühmten Signalspruch der Nelsonschen Flotte darstellten ( England expects every man to do bis duty ), und quer über die Decke war, um die allgemeine Seefahrtsatmosphäre zu unterstreichen, ein Fischernetz gespannt. In dem Moment, wo er zu dem braunen, geteerten Netz emporblickte, fiel Rikkards ein, daß er schon einmal hier gewesen war. Mit Susie zusammen war er auf einen Drink eingekehrt, als sie an einem Wochenende im ersten Winter ihrer Ehe die Küste erkundeten. Lange geblieben waren sie nicht; Susie hatte sich beschwert, die Bar sei zu voll und zu verräuchert. Er erinnerte sich noch an die Bank, auf der sie gesessen hatten, die Bank an der Wand links von der Tür. Er hatte ein halbes Pint Bier getrunken, Susie einen Medium-Sherry. Damals hatte das Pub mit seinem lodernden Kaminfeuer, dessen Flammen von den knisternden Scheiten hochschossen, und dem von lauten, fröhlichen Stimmen erfüllten Raum auf interessante Art nostalgisch und gemütlich gewirkt. Jetzt aber, im dämmrigen Licht eines herbstlichen Nachmittags, erschien es Rikkards, als reduzierten und entwürdigten die vielen unechten und billigen Artefakte sowohl die lange Geschichte des Hauses selbst als auch die Siege des Admirals. Er hatte plötzlich Platzangst und mußte sich zusammenreißen, um nicht die Tür aufzustoßen und frische Luft und mit ihr das zwanzigste Jahrhundert hereinzulassen.
    Es war, wie Oliphant es später nannte, ein Vergnügen, George Jago zu vernehmen. Er behandelte die Polizeibeamten nicht wie zwar unentbehrliche, jedoch unwillkommene Mechaniker mit zweifelhaften Fähigkeiten, die ihm seine kostbare Zeit stahlen. Weder wählte er seine Worte, als seien sie geheime Codes, um die Gedanken zu kaschieren, statt sie auszudrücken, noch versuchte er die beiden Polizisten mit seiner überlegenen Intelligenz einzuschüchtern. Er empfand dieses Gespräch mit der Polizei nicht als Duell der Intellekte, bei dem er eindeutig im Vorteil war, und reagierte auch nicht auf absolut normale Fragen mit einer beunruhigenden Mischung aus Angst und Duldergehabe, als stehe er der Geheimpolizei einer totalitären Diktatur gegenüber. Alles in allem, befand Oliphant hinterher, sei es eine angenehme Abwechslung gewesen.
    Jago gab bereitwillig zu, am Sonntag kurz nach halb 8 die Blaneys und Miss Mair angerufen und ihnen mitgeteilt zu haben, der Whistler sei tot. Woher er das gewußt habe? Weil einer der mit der Untersuchung befaßten Polizisten zu Hause angerufen habe, um seiner Frau zu sagen, sie könne ihre Tochter an jenem Abend unbesorgt allein zu einer Party gehen lassen, und weil die Ehefrau ihren Bruder Harry Upjohn vom Crown and Anchor bei Cromer angerufen habe, und Harry, der sein Freund sei, habe dann ihn angerufen. Er erinnerte sich genau, was er zu Theresa Blaney gesagt hatte: »Richte deinem Dad aus, daß man die Leiche des Whistlers gefunden hat. Er ist tot. Selbstmord. Hat sich in Easthaven umgebracht. Also kein Grund zur Sorge mehr.« Die Blaneys hatte er angerufen, weil er wußte, daß Ryan am Abend gern etwas trank, es aber nicht wagte, die Kinder allein zu lassen, solange der Whistler frei herumlief. Blaney war an jenem Abend nicht mehr gekommen, aber das hatte nichts zu sagen. Bei Miss Mair hatte er die Nachricht in etwa demselben Wortlaut auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Mrs. Dennison hatte er nicht angerufen, weil er annahm, sie sei mit den Copleys im Auto unterwegs nach Norwich.
    »Aber später haben Sie sie doch angerufen – oder?« erkundigte sich Rikkards.
    Diesmal antwortete Mrs. Jago. »Aber erst, nachdem ich ihn daran erinnert habe. Ich war zur Vesper um halb 7 und ging anschließend mit Sadie Sparks nach Hause, um die Vorbereitungen für den Herbstbasar zu besprechen. Sie fand einen Zettel von Charlie, auf dem er schrieb, er habe zwei dringende Fuhren; er müsse die Copleys nach Norwich fahren und dann ein Ehepaar aus Ipswich abholen. Als ich nach Hause

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