Vorsicht, frisch verliebt
gesagt«, erklärte Tracy heiser. »Ich lasse mein Glas fallen, und der Idiot sagt allen Ernstes ›Tut mir Leid‹. Ich hätte mir damals bereits denken müssen, dass was nicht mit ihm stimmt.«
Immer noch sprach er nicht zu ihr, sondern zu Isabel. »Mir fiel also schlichtweg nichts ein. Ich hatte das Gefühl, als hätte mir jemand eine Dosis Novocain verpasst. Sie trug ein tief ausgeschnittenes, silberfarbenes Kleid und hatte die Haare aufgetürmt, nur dass die nicht oben bleiben wollten und ihr ständig ein paar ihrer Locken in den Nacken fielen. Etwas so Schönes wie sie hatte ich nie zuvor gesehen.« Er starrte in sein Glas. »Aber so schön sie auch an jenem Abend war ...« Seine Stimme klang belegt. »So schön sie damals war ...« Er schluckte. »Entschuldigung, ich kann das einfach nicht.« Er stellte sein Glas zur Seite und verschwand im Garten.
Trotz ihrer unglücklichen Miene zuckte Tracy mit den Schultern, als wäre ihr das Verhalten ihres Mannes egal. »Seht ihr, was ich mit ihm auszuhalten habe? Wenn ich denke, dass er endlich mal den Mund aufmacht, klappt er ihn auch schon wieder zu. Ebenso gut könnte ich mit einem Computer verheiratet sein.«
»Hör auf, dich zu benehmen wie ein Arschloch«, fuhr Ren sie an. »Kein Typ hat Lust, seine Seele vor dem Exmann seiner Gattin auszubreiten. Er hat den ganzen Tag versucht, mit dir zu reden.«
»Na super. Andersrum versuche ich das schon seit Jahren.«
Isabel blickte in die Richtung, in die Harry verschwunden war. »Er scheint Probleme damit zu haben, über seine Empfindungen zu sprechen.«
»Ich habe eine Neuigkeit für euch«, antwortete Ren. »Kein Mann kann so mir nichts, dir nichts über Gefühle reden. Daran solltet ihr euch mal langsam gewöhnen.«
»Du kannst darüber reden«, widersprach ihm Tracy. »Du sprichst über das, was du empfindest, Harry hingegen leidet unter chronischer emotionaler Verstopfung.«
»Ich bin Schauspieler, weshalb der Großteil der Dinge, die ich sage, totaler Schwachsinn ist. Harry liebt dich. Nur ein Narr kapiert das nicht.«
»Dann bin ich eine Närrin, denn ich kaufe ihm seine angebliche Liebe nicht länger ab.«
»Sie sind ihm gegenüber nicht gerecht«, meinte Isabel. »Ich weiß, das liegt daran, dass Sie verletzt sind, aber trotzdem ist es falsch. Geben Sie ihm die Chance, Ihnen ohne Publikum zu sagen, was er denkt und fühlt.« Isabel wies zur Tür. »Und hören Sie mit dem Verstand zu, wenn er redet, denn Ihr Herz ist momentan zu verwundet, um zuverlässig zu sein.«
»Es hat keinen Sinn! Verstehen Sie das denn nicht? Glauben Sie, ich hätte es nicht schon unzählige Male versucht?«
»Dann versuchen Sie es noch mal.« Isabel schob sie sanft Richtung Garten.
Tracy schnaubte störrisch, ging aber trotzdem hinaus.
»Ich habe schon jetzt die größte Lust, die beiden zu erwürgen«, erklärte Ren gastfreundlich. »Und dabei haben wir noch nicht mal mit der Vorspeise begonnen.«
Harry stand, die Hände in den Hosentaschen, unter der Pergola. Im Drahtgestell seiner Brille spiegelten sich die letzten Sonnenstrahlen. Während Tracy ihn betrachtete, verspürte sie dasselbe vertraute Gefühl des Schwindels wie das, von dem sie bereits vor zwölf Jahren, als sie den Inhalt ihres Glases in seinen Schoß geschüttet hatte, erfasst worden war.
»Isabel hat mich gezwungen, zu dir rauszukommen.« Sie hörte die Feindseligkeit in ihrer Stimme, aber sie hatte ihn schon einmal angebettelt, sie zu lieben. Das täte sie garantiert nie wieder.
Er zog eine Hand aus der Tasche und stützte sich, ohne sie anzublicken, beinahe hilfesuchend an der Holz-Pergola ab. »Was du bei unserem letzten Streit gesagt hast... das war der totale Schwachsinn. Dass du fett bist und Schwangerschaftsstreifen hast, obwohl du ganz genau wissen musst, dass du von Tag zu Tag schöner wirst. Und dass ich dich nicht liebe, obwohl ich dir schon tausendmal gesagt habe, was ich für dich empfinde.«
Worte, die er mechanisch von sich gegeben hatte. »Ich liebe dich, Tracy.« Ohne jedes Gefühl. Und nie: »Ich liebe dich, weil...«, sondern ständig nur: »Ich liebe dich, Tracy. Vergiss nicht, neue Zahnpasta zu kaufen, wenn du in der Drogerie bist.«
»Hören und glauben sind zwei verschiedene Dinge.«
Langsam wandte er sich ihr zu. »Meine Liebe zu dir stand von Anfang an nie zur Diskussion. Es ging stets nur um das, was du für mich empfindest.«
»Ich für dich? Ich habe mich dir an den Hals geworfen! Wenn es nach dir gegangen wäre, wäre nie
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