Vorsicht, frisch verliebt
T-Shirts anhob, als er sich genüsslich streckte. Sein Bauch bestand ausschließlich aus Muskeln und einer schmalen Linie dunkler Haare, die in einer kurzen, schwarzen Laufhose verschwand. Isabel sog den Anblick seiner feinen Wangenknochen, des unrasierten Kinns, der athletisch breiten Brust und des restlichen wunderbaren Körpers begierig in sich auf.
Wobei er sie ertappte.
Er kreuzte lässig die Arme vor der Brust, und sie merkte, dass er sich erneut auf ihre Kosten amüsierte. »Soll ich mich eventuell noch umdrehen, damit Sie auch die Rückansicht betrachten können?«
Sie antwortete mit der Stimme der Psychologin. »Glauben Sie, ich möchte, dass Sie sich umdrehen?«
»Allerdings.«
»Es ist bestimmt nicht einfach, wenn man so gut aussieht. Schließlich wissen Sie nie, ob die Menschen Ihres Charakters oder bloß Ihres Aussehens wegen in Ihrer Nähe sein wollen.«
»Eindeutig nur, weil ich attraktiv bin. Ich habe nämlich nicht den mindesten Charakter.«
Ihr Berufsethos verbot, dass sie diese Bemerkung wortlos hinnahm. »Sie haben sogar einen sehr starken Charakter. Der Großteil dieses Charakters ist natürlich verdorben, aber ich bin sicher, dass es auch an Ihnen eine gute Seite gibt.«
»Vielen Dank.«
War es nicht das reinste Wunder, zu welch boshaften Kommentaren sie, nachdem sie ausgeschlafen hatte, in der Lage war? Sie imitierte sein schmieriges Lächeln. »Hätten Sie etwas dagegen, sich zur Seite zu drehen, damit ich auch Ihr Profil genießen kann?«
»Hören Sie auf mit Ihren blöden Witzen.« Er warf sich neben ihr auf einen Stuhl und leerte mit einem Zug das Glas mit dem mühsam von ihr gepressten Saft.
Sie runzelte die Stirn. »Ich dachte, Sie wollten laufen gehen.«
»Drängen Sie mich nicht. Und vor allem sagen Sie mir, dass noch keins von Tracys kleinen Monstern hier erschienen ist.«
»Noch nicht.«
»Diese Gören sind echt clever. Sie werden uns natürlich finden. Und Sie werden mich nachher rauf in die Villa begleiten, damit ich nicht allein bin, wenn ich die Sache mit Tracy kläre. Ich habe beschlossen, ihr zu sagen, Sie wären hier, um sich von einem Nervenzusammenbruch zu erholen und bräuchten deshalb dringend Ruhe. Dann werde ich die ganze Horde in den Volvo verfrachten, mit dem sie hierher gekommen sind, und sie auf meine Kosten in ein tolles Hotel umziehen lassen.«
Irgendwie konnte sich Isabel nicht vorstellen, dass es so einfach werden würde. »Wie hat sie Sie überhaupt gefunden?«
»Sie kennt meinen Agenten.«
»Sie ist eine interessante Frau. Wie lange, sagten Sie, sind Sie mit ihr verheiratet gewesen?«
»Ein elendiges Jahr. Unsere Mütter waren miteinander befreundet, weshalb wir zusammen aufgewachsen und zusammen in Schwierigkeiten geraten sind und es sogar geschafft haben, uns zur selben Zeit vom College werfen zu lassen. Da wir kein Interesse daran hatten, zu Hause den Geldhahn zugedreht zu kriegen und uns unseren Lebensunterhalt gezwungenermaßen selber zu verdienen, haben wir beschlossen, zu heiraten und sie dadurch von ihrem Ärger abzulenken.« Er stellte das leere Glas zurück auf den Tisch. »Haben Sie eine Vorstellung davon, was passiert, wenn zwei verwöhnte Blagen den so genannten Bund fürs Leben miteinander schließen?«
»Ganz sicher nichts Gutes.«
»Türen knallen, Wutanfälle, Haare raufen. Und das war noch lang nicht alles.«
Isabel lachte leise auf.
»Zwei Jahre nach unserer Scheidung hat sie wieder geheiratet. Ich sehe sie ab und zu, wenn sie in L. A. ist, und alle paar Monate rufen wir uns wechselweise an.«
»Was bei einem geschiedenen Paar eher ungewöhnlich ist.«
»Die ersten Jahre nach der Scheidung haben wir nicht ein Wort miteinander geredet, aber keiner von uns beiden hat Geschwister. Ihr Vater starb, und ihre Mutter ist total verrückt. Ich schätze, die Erinnerung an unsere gemeinsame gestörte Kindheit ist der Hauptgrund dafür, dass wir auch heute noch miteinander in Kontakt stehen.«
»Aber ihre Kinder oder ihren Mann haben Sie noch nie gesehen?«
»Die beiden ältesten Kinder habe ich einmal gesehen, als sie noch klein waren. Ihren Mann jedoch habe ich nie getroffen. Einer dieser typischen oberen Angestelltentypen. Steif wie ein Bügelbrett.« Er verlagerte sein Gewicht auf eine Seite, zog einen zerknitterten Zettel aus der Tasche seiner Shorts und entfaltete ihn. »Das hier habe ich in der Küche gefunden. Wollen Sie mir mal erklären, was das ist?«
Anscheinend hatte sie den unbewussten Wunsch, gequält zu werden,
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