Vorsicht, frisch verliebt
Schwangerschaftsstreifen auf ihrem Bauch gemacht, denn Harry hatte stets behauptet, sie wären wunderschön. Er hatte oft gesagt, während einer Schwangerschaft verströme sie den Duft von reinem, verführerischem Sex. Nur dass er sie inzwischen eindeutig nicht mehr als verführerisch empfand.
Sie schleppte sich den langen Korridor hinab in Richtung ihres Zimmers. Der schwere Stuck, die mit Fresken verzierten Decken und die Lampen aus Murano-Glas waren nicht ihr Stil, aber sie passten zur dunklen Eleganz ihres ersten Mannes. Angesichts der Tatsache, dass sie ihn schlichtweg überfallen hatte, hielt er sich besser als erwartet, was wieder mal bewies, dass das Verhalten der Menschen, selbst derer, die man am besten kannte, nie genau vorherzusehen war.
Sie öffnete die Tür des Zimmers und blickte auf das durch das Flurlicht beschienene breite Bett. Mitten auf der Matratze lag Harry leise schnarchend auf dem Rücken.
Dann war er also noch hier. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob er tatsächlich bliebe. Sie gestattete sich eine kurze Minute der Hoffnung, die jedoch sofort wieder verflog. Nur sein Pflichtbewusstsein hatte ihn daran gehindert, sofort wieder zu fahren. Sicher bräche er gleich morgen noch vor dem Frühstück auf.
Rein äußerlich war Harry im Vergleich zu Ren eine eher unauffällige Erscheinung. Sein Gesicht war etwas zu lang, das Kinn etwas zu stark, das braune Haar wurde allmählich etwas schütter, und auch die Falten in den Augenwinkeln hatte er an dem Abend der langweiligen Cocktailparty vor zwölf Jahren, auf der sie ihm absichtlich - versehentlich - ein Glas Wein in den Schoß gegossen hatte, eindeutig noch nicht gehabt.
Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie entschieden, dass sie ihn haben wollte. Doch er hatte es ihr nicht leicht gemacht. Wie er später erläutert hatte, waren Männer wie er das Interesse so schöner Frauen nicht gewöhnt. Aber sie hatte gewusst, was oder besser, wen sie wollte, und zwar Harry Briggs. Seine Beständigkeit und ruhige Intelligenz waren der perfekte Gegenpart zu ihrem wilden, zügellosen Leben.
Jetzt lag Connor quer über seiner Brust und hielt mit einem seiner Fäustchen den Kragen seines Unterhemds umklammert, während sich Brittany, die Reste ihrer ramponierten Schmusedecke über seinen Arm drapiert, dicht an ihn gekuschelt hatte. Steffie lag zusammengerollt zu einer der Insektenabwehr dienenden festen Kugel in Höhe seiner Beine. Nur Jeremy fehlte, doch hatte es ihn sicher alle Willenskraft gekostet, auf seinem Zimmer zu bleiben, statt hier mit seinem Vater und den »Kleinen« vereint zu liegen.
Zwölf Jahre lang hatte Harry mit seiner Ruhe ihr inneres Feuer ausgeglichen und einen Gegenpol geschaffen zu all der Dramatik und den emotionalen Exzessen, die so charakteristisch für sie waren. Trotz ihrer gegenseitigen Liebe hatten sie es oft nicht leicht miteinander gehabt. Ihre Unordnung trieb ihn beinahe in den Wahnsinn, und sie hasste es, wie er sich zurückzog, wenn sie versuchte, ihn dazu zu bewegen, seine Gefühle auszudrücken. Insgeheim hatte sie sich stets davor gefürchtet, dass er sie eines Tages einer Frau, die ihm ähnlicher wäre, wegen verließ.
Connor rutschte ein Stückchen weiter an seinem Vater herauf, und instinktiv zog Harry ihn eng an seine Brust. Wie viele Nächte hatten sie zusammen mit den Kindern in ihrem Bett gelegen? Sie schickte keins von ihnen jemals fort. Sie fand es einfach nicht logisch, dass die Eltern nachts Trost beieinander finden durften, während man die Kleinsten und Verletzlichsten alleine schlafen ließ. Nach Brittanys Geburt hatte sie die riesige Matratze auf den Fußboden gelegt, damit keins der Babys nachts aus ihrem Bett fiel und sich womöglich dabei verletzte.
Ihre Freunde hatten ungläubig gefragt: »Wie könnt ihr dann jemals ungestört miteinander schlafen?« Doch die Türen ihres Hauses hatten solide Schlösser, und sie und Harry hatten immer einen Weg gefunden, ihre körperliche Liebe nicht zu kurz kommen zu lassen. Immer, das hieß, bis zu dieser letzten Schwangerschaft, seit deren Beginn er ihrer eindeutig überdrüssig war.
Er rührte sich und öffnete die Augen. Einen Moment lang blinzelte er verschlafen, dann jedoch nahm er sie wahr, und für den Bruchteil einer Sekunde meinte sie, ein Aufflackern der alten Zuneigung in seinem Blick zu sehen. Dann jedoch wurde seine Miene reglos und sein Blick leer.
Wortlos wandte sie sich ab und begab sich auf die Suche nach einem freien Bett.
In
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