Vorsicht, frisch verliebt
ihrem kleinen Steinhaus am Rand von Casalleone zog Vittorio Chiara seine Frau eng an seine Seite. Giulia vergrub beim Schlafen gern die Finger in seinen Haaren, und auch jetzt hielt sie ein paar der langen Strähnen zärtlich fest. Doch sie schlief nicht. Seine Brust war nass von ihren stummen Tränen, und das Wissen um ihr Unglück brach ihm beinahe das Herz.
»Isabel wird ab November nicht mehr da sein«, wisperte er tröstend. »Und bis dahin werden wir weiter unser Bestes geben.«
»Was, wenn sie nicht wieder abreist? Nach allem, was wir wissen, wäre es durchaus möglich, dass er ihr das Bauernhaus verkauft.«
»Du darfst nicht so schwarz sehen, cara.«
»Du hast Recht, aber ...«
Er streichelte tröstend ihre Schultern. Vor ein paar Jahren hätte er sie, um sie aufzumuntern, kurzerhand geliebt, doch die Lust daran war ihnen beiden längst vergangen. »Wir warten schon seit Monaten«, flüsterte er leise. »Und bis November ist es nicht mehr lange.«
»Sie sind wirklich nette Leute.«
Sie klang derart traurig, dass er es nicht ertrug, und Worte, um sie aufzuheitern, fielen ihm kaum mehr ein. »Mittwochabend bin ich mit der Gruppe Amerikaner in Cortona. Kannst du mich dort treffen?«
Einen Moment lang gab sie keine Antwort, dann jedoch nickte sie zögernd. »Ich werde dort sein«, meinte sie, doch ihr Ton verriet das gleiche Elend, wie er es in seinem tiefsten Inneren empfand.
»Wart‘s ab, dieses Mal wird es ganz sicher klappen.«
Ihr warmer Atem traf auf seine nackte Haut. »Ach, würde sie doch nur verschwinden.«
Etwas hatte Isabel geweckt. Sie wälzte sich auf der Matratze und wollte gerade weiterschlafen, als sie es noch einmal hörte - ein leises Klicken an einem ihrer Fenster. Sie drehte sich auf die Seite und spitzte angestrengt die Ohren.
Erst hörte sie nichts, dann jedoch kam das Geräusch noch einmal: das Klirren kleiner Steine gegen Glas. Sie stand auf und schlich über die kalten Fliesen. Der Garten wurde einzig durch das fahle Licht des Halbmondes erhellt. Dann jedoch wurde sie seiner gewahr.
Ein Geist.
Er bewegte sich durch den Olivenhain, eine durchscheinende, nebelhafte Gestalt. Sie dachte daran, Ren zu wecken, doch sich auch nur in die Nähe seines Bettes zu begeben, erschien ihr keine allzu gute Idee. Besser, sie wartete bis zum nächsten Morgen.
Der Geist verschwand hinter einen Baum und kam dann wieder hervor. Isabel winkte, schloss das Fenster und ging zurück ins Bett.
13
Tracy genoss den ungewohnten Luxus aufzuwachen, ohne dass ein fünfjähriges Mädchen ihr giggelnd in der Nase bohrte oder dass sie, weil Connors Windel wieder einmal nicht alles gehalten hatte, in einer Pfütze lag. Wenn er nicht bald aufs Töpfchen ginge, zöge sie ihm eine Gummihose an.
Sie hörte Jeremys Pfeifen und einen schrillen Schrei. Er ärgerte vermutlich wie üblich Steffie, Brittany rannte wahrscheinlich splitternackt durchs Haus, und Connor bekäme Durchfall, wenn er zu viel Obst zum Frühstück äße. Doch statt die Beine aus dem Bett zu schwingen, vergrub-sie den Kopf tief in den Kissen. Es war noch früh. Was, wenn Harry noch nicht abgefahren war? Der Gedanke, ihn davonfahren zu sehen, schnürte ihr die Kehle ab.
Sie schloss die Augen und versuchte sich zum erneuten Einschlafen zu zwingen. Doch das Baby boxte auf ihre Blase, und so hievte sie sich aus dem Bett und schleppte sich ins Bad.
Sobald sie auf der Toilettenbrille Platz genommen hatte, flog die Tür auf, und Steffie schoss herein.
»Ich hasse Jeremy Sorg dafür, dass er mich nicht mehr ärgert.«
Auch Brittany tanzte an - tatsächlich einmal angezogen, aber ihren Mund zur Abwechslung mit Tracys teurem Lippenstift verschmiert. »Mami! Guck mal!«
»Arm!«, verlangte Conner, der ebenfalls hereingewatschelt kam.
Schließlich tauchte Harry auf, blieb im Türrahmen stehen und musterte die Szene. Er hatte es noch nicht geschafft zu duschen und trug eins von seinen Schlaf-T-Shirts über seiner Jeans. Nur Harry Briggs konnte T-Shirts besitzen, die speziell zum Schlafen waren, alte T-Shirts, die seiner Meinung nach zu abgetragen waren, um sie tagsüber zu tragen, jedoch noch viel zu gut, als dass man sie aussortierte. Selbst in seinem Schlaf-T-Shirt sah er besser aus als sie, während sie, das Nachthemd bis zur Hüfte hochgezogen, auf der Toilette saß.
»Könnte ich wohl bitte eine Minute allein sein?«
»Ich hasse Jeremy. Er hat mich -«
»Ich werde mit ihm reden. Und jetzt geht. Und zwar alle.«
Harry gab die Tür frei.
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