Vorsicht, frisch verliebt
Sie schnappte sich ihren Badeanzug von einem auf dem Boden aufgetürmten Haufen Kleider.
»Hör auf, dich so kindisch zu benehmen. Der wahre Grund dafür, dass du so sauer auf mich bist, ist, dass ich dir nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet habe, und Aufmerksamkeit brauchst du wie andere die Luft zum Atmen.«
»Fahr doch zur Hölle.«
»Du wusstest schon vor dem Abflug aus Connecticut, dass ich die meiste Zeit in der Schweiz würde arbeiten müssen.«
»Nur hast du vergessen zu erwähnen, dass du außerdem noch ein Verhältnis anfangen würdest.«
»Ich habe kein Verhältnis.«
Der übermäßig geduldige Ton, in dem er sprach, brachte sie auf die Barrikaden. »Hast du das der Mieze in dem Restaurant ebenfalls gesagt?«
»Tracy ...«
»Ich habe euch zusammen gesehen! Ihr beiden habt hinten in einer Nische gesessen. Sie hat dich geküsst!«
Er besaß tatsächlich die Dreistigkeit, zynisch die Brauen hochzuziehen. »Warum hast du mich dann nicht gerettet, statt mich ihr auszuliefern? Du weißt genau, dass ich mich in peinlichen Situationen nicht gut behaupten kann.«
»O ja ... du hast absolut hilflos ausgesehen.« Sie schnappte sich ihre Sandalen vom Boden.
»Reg dich ab, Tracy. Deine Dramatik ist einfach absurd. Sie ist die neue Vizepräsidenten von Worldbridge, und sie hat das Problem, dass sie beim Essen regelmäßig zu viel trinkt.«
»Hast du ein Glück.«
»Hör auf, dich wie ein verwöhntes Kleinkind zu benehmen. Du weißt, dass ich der letzte Mann auf Erden wäre, der jemals seine Frau betrügen würde. Aber nur, weil du dich vernachlässigt gefühlt hast, musstest du, als sich mir eine betrunkene Frau an den Hals geworfen hat, gleich eine griechische Tragödie inszenieren.«
»Ja, genau. Ich bin einfach beleidigt.« Irgendwie war es ihr leichter gefallen, sich als die betrogene Ehefrau zu sehen, als sich eingestehen zu müssen, dass er sie emotional im Stich ließ. »Die Wahrheit ist die, Harry Du hast dich bereits Monate, bevor wir in die Schweiz gereist sind, von mir abgewandt. Die Wahrheit ist die, Harry ... du hast genug von unserer Ehe, du hast genug von mir.«
Sic wünschte sich, dass er ihr widerspräche, doch das tat er nicht. »Du bist diejenige, die mich verlassen hat. Ich lasse nicht zu, dass du den Spieß einfach umdrehst. Wohin bist du noch dazu gelaufen? Ausgerechnet zu deinem feierfreudigen Ex.«
Tracys Beziehung zu Ren war die einzige Unsicherheit, die Harry in seiner Beziehung zu ihr empfand. Seit zwölf Jahren war er jeder Begegnung mit ihm ausgewichen und hatte selbst, wenn sie lediglich nur am Telefon mit Ren gesprochen hatte, frostig reagiert. Was völlig untypisch für ihn war.
»Ich bin zu Ren gelaufen, weil ich wusste, dass ich mich auf ihn verlassen kann.«
»Ach ja? Er wirkte nicht gerade glücklich darüber, dich zu sehen.«
»Du hast doch keine Ahnung, was Ren Gage empfindet.«
Da hatte sie Recht, also wechselte er rasch das Thema. »Du bist diejenige, die darauf bestanden hat, dass ich den Job in Zürich annehme. Und du hast auch darauf bestanden, mich samt den Kindern zu begleiten.«
»Weil ich wusste, wie viel dir dieser Job bedeutet, und weil ich mir nicht vorwerfen lassen wollte, ich würde deine Karriere sabotieren, nur weil ich mal wieder schwanger bin.«
»Wann habe ich dir jemals irgendetwas vorgeworfen?«
Nie. Seit Beginn ihrer Ehe, als sie noch hatte lernen müssen, wie man einen Menschen liebte, hätte er ihr eine ganze Reihe von Vorhaltungen machen können, doch das hatte er niemals getan. Bis sie mit Connor schwanger geworden war, hatte er stets eine Engelsgeduld mit ihr gehabt. Und genau diese Geduld wünschte sie sich verzweifelt zurück. Geduld, Sicherheit und vor allem die Liebe, die ihr bisher so bedingungslos erschienen war.
»Stimmt«, erklärte sie verbittert. »Ich bin diejenige, die ständig irgendwelche Beschwerden von sich gibt. Du bist perfekt, weshalb es eine Schande ist, dass du eine derart mangelhafte Frau hast.« Sie warf sich ihren Badeanzug über die Schulter, schnappte sich ihr Hemdchen und flüchtete ins Bad. Als sie wieder herauskam, war er nicht mehr da, doch als sie Richtung Küche ging, um nach den Kindern zu sehen, hörte sie, wie er im Garten Jeremy etwas zurief. Die beiden spielten Ball.
Eine kurze Minute gönnte sie sich die Illusion, als wäre alles völlig normal.
»Du hast was gesehen?«
»Einen Geist.« Isabel blickte auf Rens schweißdurchtränktes, dunkelblaues T-Shirt, das seinen Augen einen besonders
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