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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Lucky vielleicht abgewimmelt.
    »Ich geh noch mal eine Runde mit Lucky«, rief er nach oben.
    »Ich dachte eher an Fahren«, sagte Lucky.
    Theo winkte ab. »Halbe Wahrheiten genügen hier«, sagte er.
    Er stieg zu Lucky in den alten Ford und Lucky fuhr sanft an.
    Jeder andere Start hätte nur Theos Vater aufgeschreckt.
    »Lust auf Mukke?« Lucky drehte das Radio an. Die Scheiben waren runtergekurbelt. Der Fahrtwind war warm und wehte ihnen durch das Haar. Im NDR lief eine Sendung über Joe Cocker, doch das ließ sich aushalten. Lucky drehte auf volle Lautstärke.
    »Ich habe die Abende an eurem Tisch immer genossen«, sagte Theo.
    »Vergiss es«, sagte Lucky.
    »Wenn ich mir das Trauerhaus bei uns angucke.«
    »Wir lachen auch nicht mehr«, sagte Lucky.
    Theo sah zu ihm hinüber. »Was ist los?«
    »Du kannst getrost sein, wir haben viele Sorgen.«
    »Was ist das denn für ein Satz?«, fragte Theo.
    »Den hat meine Mutter gesagt, als sie mit meinem Vater telefonierte. Es ging um Max und die Anzeige, die gegen ihn läuft.«
    »Er hat die Frau doch gar nicht vergewaltigt. Oder? Hast du nicht gesagt, das sei ein Racheakt von der gewesen?«
    Lucky seufzte. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Max hat sich so verändert, dass ich ihm allmählich alles zutraue.«
    Theo beugte sich zum Radio vor und stellte den Ton leiser. »Erinnerst du dich daran, wie er mich aus dem Tümpel gezogen hat?«, fragte er. »Fünf war ich und du sechs und Max auch erst neun. Ich hatte eine Panik, nie mehr aus diesem Tümpel zu kommen und tiefer und tiefer zu versinken, und Max hat auf mich beruhigend eingeredet wie auf ein krankes Schaf. Meine Mutter weiß heute noch nicht, wo mein zweiter Gummistiefel geblieben ist. Hab mich nie getraut, das zu beichten.«
    »Hast du Lust, nach Kayhude zu fahren? Da soll ein guter Laden sein.«
    »Was für ein Laden?« Theo guckte zu Lucky und sah, dass der Tränen in den Augen hatte. Stand es so schlimm um Max?
    »Essen. Trinken. Ein Lokal eben.«
    »Stimmung, Stoff und geile Typen«, sagte Theo.
    »Verarsch mich nicht«, sagte Lucky, »das Ding ist nur, dass ich keine Ahnung habe, wie der Laden heißt.«
    »Von wem kommt denn der Tipp?«, fragte Theo.
    »Von Leni«, sagte Lucky. »Der Alte Heidkrug ist es jedenfalls nicht.«
    »Wenn ich um halb elf nicht zu Hause bin, kriegen meine Eltern die Krise«, sagte Theo.
    »Gleich ist schon halb zehn«, sagte Lucky. »Lass es drauf ankommen.«

Lenis Nacht
    I hr Vater war in den Jaguar gestiegen und losgefahren, und Leni hatte den Lichtschalter für die Gartenbeleuchtung betätigt und die weißen Rosenstöcke angestrahlt, den Oleander und den Lavendel.
    Kaum dass sie eingezogen waren im vergangenen März, hatte ihr Vater einen Landschaftsarchitekten engagiert und die Losung »Provence« ausgegeben. Hatte er gehofft, Maman herzulocken?
    Die saß seit gut einem Jahr in Gassin, einem Dorf im Süden Frankreichs. Da gab es ohne Ende Oleander und Lavendel und gleich noch Pinien und Zypressen dazu. Die tat keinen Fuß freiwillig in die norddeutsche Tiefebene, nur weil Paps auf Tannen und Heidekraut verzichtete und zwischen die Rosen Thymian setzen ließ.
    »Die«, sagte Leni laut. Viel zu leer im Haus. »Die«, schrie Leni.
    Hasste sie ihre Mutter, weil sie Leni im Stich gelassen hatte?
    Nein, dachte Leni. Sie hatte die Liebe zu Maman nur in eine Kapsel getan, eine hart ummantelte Kapsel, und in ihrem Herzen verborgen.
    Hätte sie doch zugestimmt, dass Frau Hansen heute Abend geblieben wäre. Die Haushälterin hatte es ihr angeboten.
    »Nett von Ihnen«, hatte Leni gesagt. »Doch ich bin schon groß.«
    Leni ging zu der Anlage im Terrassenzimmer. Sie guckte nicht nach, was im CD-Fach lag, sondern drückte einfach auf Wiederholung. Sie hatte jetzt nichts gegen einen leichten Jazz, wie ihr Vater ihn hörte. Geräusche in den Ohren klingen lassen, die sie ablenkten von dem großen leeren Haus. Sie trat an das Sideboard, das als Bar diente, und setzte die Flasche Campari an den Hals. Klebrig und bitter, der Campari, wenn man ihn pur trank und nicht mit Soda oder Orangensaft. Trotzdem nahm sie noch einen tiefen Schluck. Schadete nicht, leicht angeschickert zu sein.
    »The Boy from Ipanema«, sang Diana Krall.
    Das Telefon lag auf der kleinen Empire Kommode, daneben die Liste für Notfälle, die ihr Vater geschrieben hatte. »Handy Paps« stand obenauf, gefolgt von Frau Hansens Nummer und der von Polizei und Feuerwehr und dem ärztlichen Notdienst. Die letzte Nummer auf der

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