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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Irgendwas stimmte da nicht. Theo lief die Treppe hinunter und nahm den Schirm von der Garderobe, den seine Mutter hatte liegen lassen. Vielleicht holte er Ma nachher von der Kirche ab, wenn der Schauer nicht nachließ. Wo er schon dabei war, gute Taten zu vollbringen.
    Theo hörte Ellerbek singen, kaum dass er zur Tür heraus war. Wer hätte gedacht, dass der Alte noch so eine kräftige Stimme hatte. Hörte sich an wie ein Shanty, dieses Lied, das er sang.
    »Darf ich Sie ins Trockene bringen?« Theo hielt den Schirm über Ellerbek, obwohl das gar nichts mehr nutzte.
    »Junge«, sagte Ellerbek, »dass du endlich da bist. Dachte ich’s doch. Du erinnerst dich noch an das Lied.«
    Theo ahnte, wen der alte Mann da ansprach. Nicht ihn. Theo wusste von Ellerbeks Sohn nur, dass der zur See fuhr und lange nichts von sich hatte hören lassen.
    Doch wenigstens ließ sich Ellerbek ins Haus führen.
    »Sie sollten sich umziehen«, sagte Theo.
    Ellerbek sah ihn an und legte die Stirn in Falten.
    »Theo«, sagte er, »ich hatte so einen Schwindel.«
    »Vielleicht ein heißes Bad? Oder soll ich Dr. Bunsen holen?«
    »Kannst du mir den Ofen anfeuern? Da ist noch Holz im Korb.«
    »Sie haben doch Zentralheizung«, sagte Theo.
    »Ein gutes ehrliches Feuer«, sagte Ellerbek, »das wärmt am besten.«
    Theo bückte sich zu den Holzscheiten. Er hatte keine Ahnung, wie ein Ofen anzufeuern war.
    »Zerknüll erst mal die Zeitung«, sagte der Alte und deutete auf das Abendblatt, das auf dem Tisch lag. »Dann die kleinen Holzstücke und zum Schluss zwei Scheite.«
    Ellerbek nickte, als Theo ein Streichholz zündete und das Feuer tatsächlich zum Brennen brachte. Theo drehte den Kopf weg und kniff die Augen zusammen. Zu grell, das Feuer.
    »Hainbuche gibt gutes Holz. Lässt sich nur schwer spalten.«
    »Sie sollten sich was Trockenes anziehen«, sagte Theo.
    »Ich trinke nachher einen heißen Tee. Danke, Theo.«
    »Ist das ein Shanty, den Sie im Garten gesungen haben?«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Ich hab nicht gesungen, Theo«, sagte er. »Da irrst du dich.«
    »Vielleicht gucke ich doch bei Dr. Bunsen vorbei«, sagte Theo. Die ganze Nachbarschaft ging zu dem alten Arzt, dessen Praxis altmodisch war, der jedoch jeden Einzelnen von ihnen kannte.
    »Halt mir bloß den Bunsen vom Hals. Hab genug Ärzte, die können mir alle nicht helfen«, sagte Ellerbek.
    »Dann geh ich mal«, sagte Theo.
    »Junge, sorg dafür, dass ich Liguster aufs Grab krieg. Der ist das ganze Jahr grün. Keine von diesen kleinen Hainbuchen, die haben schon im September Herbst.«
    Theo nickte. Er nahm an, dass es wieder Ellerbeks Sohn war, für den der alte Mann diese Worte sprach.
    »Ich komm morgen nach der Schule vorbei«, sagte Theo.
    »Du bist ein guter Junge«, sagte Ellerbek.

    Der Schirm, unter dem Theos Mutter ging, war ein großer schwarzer Herrenschirm. Der Mann, der ihn hielt, nickte Theo freundlich zu.
    »Du hast einen fürsorglichen Sohn, Gesa«, sagte er und verabschiedete sich mit einer kleinen Verbeugung. Es sah komisch aus, wie er das tat mit dem aufgespannten Schirm in der Hand.
    Theos Mutter wechselte zu dem Schirm im Schottenkaro, den Theo für sie hielt. »Das war Hardy«, sagte sie verlegen. »Im Chor duzen sich alle.«
    »Ihr den Chorleiter auch?«, fragte Theo.
    »Das dürfen nur die Männer.«
    »Ich finde ihn aufgeblasen«, sagte Theo, »warum ist er eigentlich von seiner Hauptkirche weggegangen?«
    Theos Mutter zögerte mit der Antwort.
    »Ist das ein Geheimnis?«, fragte Theo.
    »Ich weiß nicht, warum er weggegangen ist«, antwortete sie.

    »Sie treffen ihn am besten abends an«, hatte Lucky gesagt. Er hatte keine Ahnung, wann man Max antraf. Vielleicht ging er gar nicht aus und hielt sich in den zwei schäbigen Zimmern versteckt. Luckys Zeitangabe war nur ein kläglicher Versuch, den Auftritt des Kommissars in der Seilerstraße zu verzögern.
    Als Lucky um sechs nach Hause kam, schien noch nichts Schlimmes passiert zu sein. Mama und Mia hantierten in der Küche und waren dabei, kleine Gurken einzulegen. Ein Topf mit Salzwasser kochte auf dem Herd, Mia hackte Dill, seine Mutter legte die Gurken in den Steinguttopf. Eigentlich hatte nur sein Vater diese Dillgurken geliebt. Dass Mama sie noch immer einlegte, kaum dass die Gurken in den Geschäften auslagen, konnte er nur als eine Sehnsucht nach lang Verlorenem deuten. »Neuigkeiten?«, fragte er.
    »Das gute Wetter ist vorbei«, sagte seine kleine Schwester.
    »Sagen dir das deine

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