Vorstadtprinzessin
Fälle durch?
»Wollte auf Jan Ellerbek aufmerksam machen. Der ist bestimmt nicht in euren Computern drin. Länger als vierzig Jahre her. Ende der Sechzigerjahre. Seine Eltern hatten das letzte Haus am Wald. Führte von der Kirche aus hin. Weiß nicht mehr, wie die Straße heißt.«
»Was war mit Jan Ellerbek?«, fragte Lüttich.
»Hat ein tiefes Loch im Wald gegraben und einen kleinen Jungen hineingesteckt. Das Loch schön zugedeckt. Der Kleine konnte aus eigener Kraft nicht raus. Ein Wunder, dass er nicht hopsgegangen ist. War mitten im tiefsten Winter.«
»Wie alt war Jan Ellerbek damals?«
»Vierzehn. Und der Kleine vier. Ellerbek kam dann nach Ochsenzoll in die Psychiatrie. Aber nicht lange.«
»Die Akten sind sicher längst vernichtet worden«, sagte Lüttich.
»Das nehme ich an. Doch vielleicht hat er das Haus ja geerbt und sitzt da drin und ist noch immer pervers.«
»Danke«, sagte Lüttich. »Ich werde mich drum kümmern. Leben Sie noch in Marienthal?«
Petersen nickte. »In meinem Häuschen in der Schimmelmannstraße. Besuchen Sie mich mal. Meine Frau ist auch noch ganz plietsch.«
Lüttich lächelte. »Gerne«, sagte er.
Lüttich pfiff leise vor sich hin, als der alte Polizist zu einem Mercedes Benz ging, der auch schon die besten Jahre hinter sich hatte. Das letzte Haus in der Straße. Daran war er vorbeigekommen, als er und Lukas heute Mittag in den Wald gegangen waren.
Leni und Max
L eni hatte im Haus herumgehangen und die Haushälterin gequält. Kleidchen aus dem Schrank gezerrt, die gerade gebügelt worden waren, um sie vor dem großen Spiegel in der Diele anzuprobieren und dann auf den Boden fallen zu lassen. Leni langweilte sich zu Tode.
Schließlich zog sie eine knallenge Jeans an und dazu ein tailliertes Hemd ihres Vaters, das sie bis auf die vier unteren Knöpfe offen ließ. Den Bustier hatte sie gestern gekauft. Einen weißen Bustier mit blauen Blümchen, der ihre Brüste bestens hob.
»Das ist zu kalt«, sagte die Haushälterin, als Leni ihr kurz zunickte.
Sie hätte gerne gesagt, dass Leni aussähe, als ginge sie auf den Strich. Doch das stimmte nicht. Die langen hellblonden Haare glänzten seidig. Ihre Haut hatte an den vergangenen Sonnentagen eine leichte Tönung bekommen, ihre Wimpern waren schwarz und ihre Lippen rot. Leni sah aus wie ein schönes wohlhabendes Kind, das sich aufreizender kleidete als die Huren, die auf St. Pauli vor den Häusern standen.
Es war zu kalt, doch Leni hatte nicht vor, ins Haus zurückzugehen. Sie guckte in den Himmel, der von einem blassen Blau war, und hoffte, dass die Sonne an Kraft gewänne und sie sich warm laufen würde. Den Hügel hinunter in den Ort. Sie ging zu Lucky, obwohl sie wusste, dass dort keiner war. Lucky in der Werkstatt. Mia in der Schule. Luckys Mutter in der Strumpfabteilung bei Karstadt. Vielleicht war es ein sechster Sinn, der Leni den Weg wies. Max in die Arme.
Max trug eine Baseballkappe, die seine Augen beinah verbarg. Er ging noch immer wie auf Watte, vermied die hastigen Bewegungen. Er kam aus der Haustür und hatte eine große Schultertasche umhängen, in die er ein paar Klamotten gepackt hatte. Er sah wirklich nicht wie ein Sieger aus. Doch irgendwas war noch immer sexy an Max, dass Leni nur diesen einen Augenblick brauchte, um auf ihn zu fliegen.
»Doch noch Glück gehabt«, sagte Max.
»Glück?«, fragte Leni.
»Dich zu treffen. Du bist doch die Braut, mit der Lucky ausgeht.« Max’ Blick hielt sich an Lenis Brüsten fest.
»Und wobei hast du kein Glück gehabt?«
Max machte eine Kinnbewegung zu Luckys altem Ford hin, der vor dem Haus geparkt war. »Hab den Schlüssel für die Karre nicht gefunden.«
»Du wärest sonst damit abgehauen?«
»Mein kleiner Bruder hätte sie mir sicher gerne geliehen.«
»Dann lass uns den Bus nehmen«, sagte Leni.
Max lachte und sah sich hastig um, ob er zu laut gelacht hatte. »Du willst mich begleiten? Du weißt doch gar nicht, wohin.«
Einen Moment lang dachte Leni an das Auto, das in ihrer Garage stand. Doch sie konnte Max nicht Paps’ nagelneuen Jaguar anbieten.
»Weißt du es denn?«, fragte Leni.
Max zögerte. Vielleicht fiel der Süßen noch was Besseres ein.
»Komm mit«, sagte er, »der Bus fährt in ein paar Minuten.«
Es war wirklich nicht angebracht, hier zu wurzeln. Nachher kam noch dieser Kommissar des Weges. Kringel hatte ihn spät noch auf dem Handy erreicht und von dem Besuch gestern Abend erzählt. In der Seilerstraße konnte er sich vorerst nicht
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