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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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mal wieder um Max ging.

    Ellerbek erzählte Theo alles, was es von seinem Sohn zu erzählen gab. Das erleichterte ihn nach dem Besuch des Kommissars, der ihn hatte vollständig klar werden lassen. Theo hörte schweigend zu. Selbst wenn seine Eltern davon wussten, war das genau die Art Geschichte, die sie vor ihm verheimlichten. Doch eigentlich waren Ma und Pa zu jung, um sie zu kennen, auch wenn die beiden schon seit ihrer Heirat in diesem Haus wohnten, in dem Theo aufgewachsen war. Sogar der Dorfklatsch darüber schien verstummt zu sein.
    Der alte Mann stand auf und füllte den Wasserkessel. Theo würde nicht drum herumkommen, eine Tasse von Ellerbeks Friesenmischung zu trinken, ein schwarzer Tee, der Tote erweckte. Vielleicht lebte der Alte nur des Tees wegen noch. Ellerbek stellte einen Keramiktopf mit Kandis auf den Tisch. Auf dem Kandis lagen klebrige Hustenbonbons. Theo kannte das schon und es ekelte ihn nicht länger.
    »Was will er denn von deinem Freund?«, fragte Ellerbek.
    »Luckys älterer Bruder hat Probleme mit der Polizei«, sagte Theo.
    Ellerbek fragte nicht nach. Er war zu sehr damit beschäftigt, den Tee in die große Kanne zu geben. Der Tee geriet immer zu schwarz, weil er Tasse für Tasse gesiebt wurde, und selbst die ersten Tassen waren nur zu ertragen, wenn man viel vom Kandiszucker reinrührte.
    Der Kessel fing an zu tuten, und der Alte gab das kochende Wasser in die Kanne und guckte auf die Küchenuhr, die über dem Herd hing. In fünf Minuten würde er die Tassen füllen.
    »Jede Familie hat ihre Geheimnisse«, sagte Ellerbek und sah Theo an.
    »Luckys Vater hat die Familie verlassen«, sagte Theo, »ich weiß.«
    »Ich dachte nicht an die Familie deines Freundes«, sagte der alte Mann.
    »An wen denn?« fragte Theo.
    Ellerbek guckte auf die Uhr und schwieg. Schließlich goss er den Tee ein und schüttelte den Kopf, als gäbe es nichts mehr zu sagen.

    »Besser als die eigene Brut«, hatte Ellerbek gesagt. Doch er liebte seinen Sohn, davon war Lüttich überzeugt. Auch wenn der alte Mann sich schonungslos erinnerte und nichts schönte.
    Machte es Sinn, international nach Jan Ellerbek zu fahnden? Saß er in irgendeinem fernen Land, soff sich die Vergangenheit aus dem Kopf und vergaß dabei den Vater in Hamburg? Oder war er längst tot?
    Lüttich fuhr stadteinwärts. Nicht zum Polizeipräsidium. Er wollte in die Seilerstraße. Sehnsucht nach dem Vampir Kringel, dachte er. Die Fährte Ellerbek schien ins Leere zu laufen. Geschah das nicht mit allen Fährten, die er aufnahm, seit Sarah tot im Wald gelegen hatte?
    In fünf Tagen war Mittsommer. Warum krallte er sich so fest an diesem Datum? Wurde er alt? Petersen hatten am Ende seiner Laufbahn auch Vorahnungen geplagt, obwohl der wirklich kein Spökenkieker gewesen war, sondern ein bodenständiger Hamburger Kriminalkommissar. Spökenkieker. Lüttich gefiel dieses plattdeutsche Wort. Er wäre gerne einer gewesen, der den Spuk schon im Voraus erkannte. Und die bösen Geister bannte, ehe sie ihr Unwesen trieben.
    Er fand einen Parkplatz vor dem Haus in der Seilerstraße und hielt das für ein gutes Zeichen. Doch seine Stimmung sank, als sich die Tür im obersten Stock auf sein heftiges Klingeln hin öffnete.

Tanja
    D er Tag, an dem Tanja den Chorleiter kennengelernt hatte, war vier Wochen her und hatte ihr Leben verändert, das in halbherzigen Versuchen dahingedümpelt war, eine Ausbildung als Kauffrau anzufangen.
    Später sagte Dankwart, er habe sie am Tresen des Lichtgrün stehen sehen und ihr künstlerisches Talent auf den ersten Blick erkannt. Wenn er das sagte, streichelte der Chorleiter gerne ihre Brüste, bevor er den Klavierdeckel hob und Tanja Tonleitern singen ließ.
    Einen naiven Sopran nannte er ihre Stimme, und auch das klang lobend in Tanjas Ohren, denn Dankwart lächelte tief dabei.
    Die Einzelstunden am Nachmittag gewährte der Chorleiter nur ihr. Die anderen Mitglieder des Kirchenchors hatten am Dienstagabend Probe, an der Tanja gestern zum ersten Mal teilgenommen hatte. Von den Nachmittagen im kleinen Raum hinter der Orgel, in dem nur ein Klavier stand und ein Sofa und einige Notenständer, wusste keiner. Erschrak Tanja darum so sehr, als sie die Treppe zur Orgel hochstieg und Theo dort oben stehen sah?
    Es ging schon auf halb sechs zu, Dankwart würde sich verspäten und hatte heute nur kurz Zeit. Das hatte er ihr auf der Mailbox ihres Handys angekündigt.
    »Was tust du hier?«, fragte sie. Spionierte Theo ihr nach? Vergangenen

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