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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Mittwoch hatte er im Garten des Lichtgrün gesessen und sie angestarrt.
    »Und du?«
    »Ich hab gestern die Noten liegen lassen.«
    Theo nickte. »Ich habe keine gefunden«, sagte er.
    Er hatte auch die Lesebrille seiner Mutter nicht gefunden, die Ma auf einem der hellen Stühle vermutete, die vor der Orgel standen. Kaum war er von Ellerbek nach Hause gekommen, hatte sie ihn hergeschickt. Theo war bald nur noch als Wohltäter unterwegs.
    »Du bist groß geworden«, sagte Tanja mit der Überheblichkeit der vier Jahre älteren Nachbarstochter.
    »Kennst du die Sänger, die im Kirchenchor singen?«
    »Klar«, sagte Tanja, »deine Mutter ist auch dabei.«
    Als ob das eine Neuigkeit wäre. Theo hätte gern mehr über den Mann gewusst, der einen schwarzen Schirm über seine Mutter hielt.
    »Hast du das tote Mädchen im Wald gekannt?«, fragte Tanja.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Dachte nur«, sagte Tanja, »ihr wart doch gleich alt.«
    Theo hörte erst die Schritte auf der Treppe, dann die Stimme des Chorleiters. »Tanja, bist du das da oben?«
    »Er weiß schon, dass du die Noten suchst«, sagte Theo. Irgendwas kam ihm komisch vor, Tanja wirkte total angespannt.
    »Ich bin es«, zwitscherte sie, und es klang, als sei das eine Warnung. Ein verschreckter Kanarienvogel, der da zwitscherte.
    Der Chorleiter hatte die oberste Stufe erreicht und sah sie.
    »Du bist Gesa Ansorges Sohn«, sagte er.
    »Meine Mutter hat ihre Brille hier liegen lassen«, sagte Theo.
    »Und was hast du liegen lassen?«, fragte der Chorleiter Tanja.
    Sein Ton war scharf. Tanja guckte irritiert.
    »Die Noten vom Lied mit den Schmerzen«, sagte sie. Eine Ausrede, das sollte Dankwart doch wissen. Wollte er, dass sie ihre geheimen Probestündchen auffliegen ließ?
    »Habt ihr euren Kram gefunden?«
    »Nein«, sagte Theo. Der Typ war ein echter Kotzbrocken. Dass der hier neuerdings den Kantor gab, konnte nichts Gutes bringen.
    »Dann geht. Gleich kommen zwei Sänger, mit denen ich arbeiten werde«, sagte der Chorleiter. »Ernsthaft arbeiten.«
    Er ist eifersüchtig, dachte Tanja, als sie die Treppe hinunterstieg. Der Gedanke gefiel ihr. Vielleicht vermutete Dankwart, dass sie was mit Theo habe. Doch warum sollte sie den dann in die Kirche schleppen?
    »Glaubst du das mit den Sängern?«, fragte Tanja.
    Theo hob die Schultern. Ihm war das völlig egal.
    Vor der Kirche kamen ihnen zwei Männer entgegen. Der eine war der Schirmträger seiner Mutter. Der andere ein kleiner grauer Mann mit einem auffallend spitzen Gesicht.
    »Das sind sicher die Sänger«, sagte Theo.
    »Ich kenne nur den einen. Hardy.« Tanja drehte sich noch mal nach den beiden um. »Keine Ahnung, wer dieses Rattengesicht ist.«
    »Gehst du nach Hause?«, fragte Theo.
    »Hast du was dagegen?«
    »Dann haben wir den gleichen Weg.«
    Tanja blickte zu ihm hinüber. »Du bist tatsächlich groß geworden«, sagte sie. »Ich sehe dich noch in deiner Sandkiste sitzen.«
    »Ist ja schon eine Weile her«, sagte Theo. »Erzähl mir was von Hardy.«
    »Warum?«
    »Nur so«, sagte Theo. Sorgte er sich um die Ehe seiner Eltern?
    »Er ist ganz nett«, sagte Tanja. »Ich war gestern zum ersten Mal auf der großen Probe. Da kann ich noch nicht viel sagen. Nur dass ein paar alte Säcke dabei sind, die nerven. Da fällt er positiv auf.«
    »Und was machst du jetzt so?«
    »Ich werde Sängerin«, sagte Tanja und dachte, dass sie nur dafür den alten Sack Dankwart brauchte.
    »Aha«, sagte Theo. »Wie wirst du das?«
    »Erst mal im Kirchenchor singen. Dann in den Clubs. Eine CD. Und als Nächstes die Stadien.« Theo sah Tanja an. Sie grinste. Vielleicht war sie doch nicht ganz so bescheuert, wie er bisher angenommen hatte.
    »Hast du immer noch das mit deinen Augen?«, fragte sie.
    »Nur wenn es zu grell wird.«
    »Dann lass uns doch mal abends ins Tre Castagne gehen«, schlug Tanja vor. »Ich zieh mir auch was Dunkles an.«
    »Können wir«, sagte er leidenschaftslos.
    Theo wünschte, Leni hätte das vorgeschlagen.

    Er sah die bunten Zettel an den Bäumen der alten Landstraße. Zettel, die zum Sonnenwendfeuer einluden. Hatte es solche Feuer in seiner Kindheit gegeben? War er da an die Hand genommen worden, damit er nicht zu nah an das Feuer trat und die Funken ihn nicht verbrannten? Er erinnerte sich nicht. Tanzte man um das Feuer? Mit Kränzen auf dem Kopf, an denen bunte Bänder flatterten? Blonde Mädchen mit Kränzen. Ihm kam das eine Mädchen in den Sinn.
    Ein altes Märchen fiel ihm ein, in dem Stroh zu

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