Vorstadtprinzessin
klang patzig. Doch ihr war zum Heulen zumute.
»Erst Ende Januar. Dann hast du schon ein halbes Schuljahr hinter dir und bist hoffentlich zu Verstand gekommen.«
»Ich werde nie auf ein Internat gehen«, sagte Leni und wandte sich ab, um die Küche zu verlassen.
»Du bleibst hier«, sagte Paps. »Ich bin seit heute Morgen alle paar Minuten zu deinem Bett gelaufen, um zu lauschen, ob du noch atmest. Als ob ich den plötzlichen Kindstod befürchte. Was hast du gestern geschluckt, dass du ins Koma fällst?«
»Ich habe mit einem Freund einen langen Spaziergang gemacht«, sagte Leni. »Das macht müde.«
»Mit dem Jungen aus der Werkstatt?«
»Nein. Du kennst ihn nicht.«
»Ich lasse sie alle antanzen, um zu sehen, was für einen Umgang du pflegst«, sagte ihr Vater. Er war aufgestanden. »Und wer dir die Knöpfe von der Bluse reißt. Und wozu du das Geld brauchst, das du von der Kreditkarte abhebst.«
»Ich werde zu Maman ziehen. Die ist nicht so spießig wie du.«
Leni wurde total überrascht von der Ohrfeige. Sie hielt die Hände vors Gesicht und fing an zu weinen. Er hatte sie noch nie geschlagen.
»Das wollte ich nicht«, sagte ihr Vater.
»Ich hasse dich«, sagte Leni und lief mit geballten Fäusten aus dem Haus. Erst als sie den Hang schon hinter sich gelassen hatte und in den Taschen ihres Jeansrockes nach der kleinen feinen Geldbörse suchte, entdeckte sie die silberne Schablone mit zwölf lila Tabletten.
»Er hat doch eigentlich ein schönes Leben gehabt«, sagte Lucky.
Bis zu dem Tag, an dem sein Sohn versucht hat, einen kleinen Jungen zu töten, dachte Theo. Er trank einen Schluck Weizenbier und schwieg.
Irgendwann würde er Lucky davon erzählen. Nur nicht heute.
»Wie alt war er?«, fragte Lucky.
»Zweiundachtzig. Das hat Bunsen gesagt.«
»Und Max wird vielleicht nicht mal zweiundzwanzig.«
»Wie kommst du darauf?«
»Wenn er was mit Drogen macht, lebt er nicht lange.«
»Du bist sicher, dass es um Drogen geht?«
»Was sollten das sonst für große Geschäfte sein? Du hättest diesen Kringel sehen sollen. Den aus der Seilerstraße. Sieht aus wie eine einzige Warnung vor Heroin.«
Theo überlegte, was er zugunsten von Max sagen könnte, doch es fiel ihm nichts ein. Max schlitterte wirklich am Abgrund entlang.
»Ich soll mich vor dem Teich hüten, hat Ellerbek gesagt. Das waren seine letzten Worte«, sagte er.
»Er meinte wohl die Tümpel. Davor haben sie uns immer gewarnt.«
Theo schüttelte den Kopf. Lucky packte ihn am Arm.
»Ich könnte schwören, dass das dahinten eben Leni war«, sagte er.
Theo hob die Schultern. »Warum soll sie das nicht gewesen sein? Sie wohnt in der Gegend.«
»Lass uns mal zahlen. Sie geht bestimmt zur Bushaltestelle.«
»Du willst ihr doch wohl nicht folgen«, sagte Theo. Dazu war er kaum noch in der Lage nach den Ereignissen des Nachmittags.
»Vielleicht führt sie uns zu Max.«
»Sie hat doch selbst keine Ahnung, wo er ist.«
»Ich habe da meine Zweifel«, sagte Lucky.
»Und du fährst mit ihr im Bus, ohne dass sie was merkt?«
»Wir nehmen mein Auto und fahren hinter dem Bus her.« Lucky zog einen Geldschein aus der Tasche.
»Bis wir startbereit sind, ist sie längst über alle Berge.«
»Es ist Samstag. Wenn wir Glück haben, ist ihr gerade ein Bus vor der Nase weggefahren, und sie steht eine halbe Stunde an der Haltestelle.«
Theo seufzte tief. Er stand auf. Es würde ihn wundern, wenn Leni dann kein Taxi nähme.
Leni hätte zu gerne ein Taxi genommen. Der Fahrplan des Nahverkehrs nervte sie zutiefst. Doch sie hatte ein T-Shirt gekauft im Kaufhaus Olden, dem einzigen Laden, der am Samstag bis 18 Uhr geöffnet hatte, sah man mal von Penny und Lidl ab. Zwanzig Euro waren nun schon weg und die Kreditkarte lag zu Hause auf ihrem Schreibtisch.
Die zerrissene Bluse hatte Leni in den nächsten Abfallkorb gestopft.
Sie stieg in den Bus. Tanja war ausnahmsweise nicht zu sehen, nur eine andere Tussi saß da und probierte verschiedene Klingeltöne für ihr Handy aus. An ihren zehn Fingern hatte sie zwanzig Ringe.
Den roten Ford, der dem Bus folgte, sah Leni nicht. Sie dachte über ihren Schlachtplan nach, der eine einzige Katastrophe war.
Sie hatte keine Ahnung, wo Max steckte. Dafür aber Schiss, noch einmal zu dem Laden in der Schanze zu gehen. Kaum noch Kohle.
Und die Befürchtung, Paps könnte die Polizei einschalten.
Leni tastete nach der silbernen Schablone in ihrer Tasche. Vielleicht würde alles leichter werden, wenn sie sich eine
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