Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
Vom Netzwerk:
sagte Bunsen. »Dieses Schweigen hat sie langsam vergiftet und dir haben sie auch keinen Gefallen damit getan.«
    »War es wirklich Mas Schuld?«
    »Sie ist für einen Moment ins Haus gegangen, um dort was auch immer zu tun, und deine Schwester ist in den Teich gefallen. Kleine Kinder zappeln und schreien nicht. Sie liegen mit dem Gesicht im Wasser und ertrinken ganz leise.«
    »Und mein Vater hat Ma das nie verziehen?«
    »Nein«, sagte Bunsen, »nie.«
    »Wäre sie so alt wie Tanja?«
    »Ja. Doch eure Nachbarn haben das Unglück nicht miterlebt. Sie sind erst kurz nach deiner Geburt hergezogen.«
    »Dann wussten es nur der alte Ellerbek und Sie.«
    »Vielleicht noch ein paar Leute, die euch nicht nahestehen. Nach Ellerbeks Beerdigung sah ich deine Eltern zu Annikas Grab gehen.«
    »Zeigen Sie es mir?«
    »Das sollten deine Eltern tun.«
    »Ich möchte es ohne Ma und Pa sehen.«
    Der alte Arzt nickte und stand auf. »Hat Ellerbek dir noch etwas anderes erzählt?«
    Theo zögerte. »Die Geschichte von Jan«, sagte er schließlich, »dass er das Loch im Wald gegraben hat.«
    »Dann lass uns mal gehen, Theo«, sagte Bunsen. »Jetzt gleich. Wird auch für mich höchste Zeit, die Dinge zu regeln.«

    Lucky und Theo hatten eine Weile schweigend gesessen und Löcher in den Sommerabend geguckt. Das Tre Castagne war gut besetzt. Worte wehten über die Tische, die nicht zu der lauen Luft gehörten.
    Tod und Verderben. Die zweite Leiche im Wald.
    »Annika hatte im Dezember Geburtstag«, sagte Theo, »wie ich.«
    Lucky schüttelte den Kopf, als könne er es noch nicht fassen. »In meiner Familie haben sie alle eine Vollmeise«, sagte er, »doch das wäre bei uns nicht passiert. Das einfach totzuschweigen.«
    »Was Neues von Max?«
    »Nein. Meine Mutter ist dankbar, dass Max noch lebt. Soweit wir das wissen. Leni gibt ja die Taubstumme. Ich hab schon gefühlte hundert Nachrichten auf ihrem Handy hinterlassen. Gestern kam was vom Gericht für Max. Wäre wirklich gut, wenn er mal auftauchte.«
    »Das neue Mädchen hatte auch helle Haare«, sagte Theo. Seine Stimme klang belegt. »Glaubst du nicht, dass Leni in Gefahr ist?«
    Lucky versuchte, noch einen letzten Tropfen Bier aus seinem Glas zu schlürfen. Eigentlich hatte er Lust auf einen Schnaps. Doch er war es, der morgen früh um sieben in der Werkstatt antreten musste. Das waren die Momente, in denen Lucky ernsthaft bedauerte, nicht mehr zur Schule zu gehen. Sechs Wochen Sommerferien.
    »Ich will gar nicht darüber nachdenken«, sagte er, »ob sie in Gefahr ist. Ich will mir auch nichts Schlimmes für Max vorstellen.«
    Theo seufzte und sah sich nach Sigi um. »Ich werde wohl mal nach Hause gehen«, sagte er, »hoffentlich sind sie sich nicht an den Hals gegangen.« Er traute seinen Eltern inzwischen vieles zu.
    »Ich komme mit«, sagte Lucky.
    »Da muss ich allein durch«, sagte Theo. Doch er war dankbar, dass Lucky diesen heldenhaften Satz ignorierte.
    Der Wald am Ende der Straße stand da wie eine drohende schwarze Wand, obwohl es noch nicht ganz dunkel war.
    »Das Haus von Ellerbek sieht so einsam aus«, sagte Theo.
    »Wohnt ja auch keiner drin«, sagte Lucky. »Was daraus wohl wird? Erst mal müssen die wohl den Sohn finden.«
    »Ich glaube nicht, dass Jan Ellerbek noch lebt«, sagte Theo.
    »Bei euch ist kein Licht«, sagte Lucky.
    »Vielleicht sitzen sie im Garten auf den neuen Teakholzstühlen. Sie werden wohl kaum schon schlafen gegangen sein.«
    »Ich weiche nicht von deiner Seite«, sagte Lucky. »Ihr habt doch sicher noch Bier im Kühlschrank.«

    Das Haus war leer. Keiner saß im Garten. Die fliederfarbenen Kissen lagen auf den Stühlen und sahen unberührt aus. Das Auto stand in der Garage. Im Kühlschrank gab es zwar kein Bier, doch eine Flasche Aquavit. Lucky nahm sie mit nach oben in Theos Zimmer. Gute Vorsätze waren da, um gebrochen zu werden. Sagte das sein Opa nicht immer?
    Theo stellte sich vor, dass Ma bei ihrem Sänger war. Besser als mit Tabletten auf einer Parkbank. Doch wo steckte sein Vater? Er setzte sich ins Fenster und behielt die Straße im Auge.
    »Trink einen Schluck«, sagte Lucky. Doch Theo schüttelte den Kopf. »Ich erzähl dir mal eine Geschichte«, sagte er.
    Theo erzählte vom vierzehnjährigen Jan Ellerbek und dem kleinen Jungen. Vom tiefen Loch und den Zweigen darüber und dem Zufall, dass der Vierjährige gefunden worden war. Von der Ratte und dem Baummarder im Loch konnte er nicht erzählen und auch nicht von den Bisswunden, die der

Weitere Kostenlose Bücher