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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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überdosieren. Am besten immer nur eine Tablette.«
    »Du hast ja ordentlich Schiss«, hatte Leni festgestellt.
    Die Teigtaschen und die beiden Cola waren von Max bezahlt worden.
    Schließlich hatte er erstes Geld verdient.
    »Macht dir der neue Mord keine Angst?«, hatte Max gefragt, als sie zur S-Bahn an den Landungsbrücken gingen und ihnen die Schlagzeile der Bildzeitung ins Auge sprang.
    Doch Leni hatte nur mit den Achseln gezuckt.

Freygang
    N ils Freygang war ein hässlicher Mann. Seine Augen waren kleine schwarze Knöpfe in einem spitzen Gesicht, die weichen kurzen Haare von einem matten Grau, obwohl er noch keine vierzig Jahre alt war.
    Er kannte den Vergleich mit einer Ratte nur zu gut.
    Doch die Natur hatte Gnade gezeigt und ihm eine wohltönende Stimme gegeben, ein voller Bariton, der den Chorleiter entzückte.
    Freygang hatte sich in seinem bisherigen Leben eher versteckt. Nach dem Ende der Schulzeit war er in der Verwaltung verschwunden, hatte keine Kontakte gesucht und fiel nicht auf.
    Theos Vater, der auf demselben Amt arbeitete und sein Büro ein paar Zimmer weiter hatte, grüßte ihn betont freundlich, wenn sie sich täglich an der Kaffeemaschine trafen. Doch auch er war kein kontaktfreudiger Mensch, und die anderen Kollegen, vor allem die Frauen, mieden Freygang. Er hatte nicht einmal Charme. Nur eine Stimme.
    Dass er endlich den Mut gefunden hatte, dem neuen Musiker der Kirchengemeinde vorzusingen, war eine Erlösung für Nils Freygang.
    Er studierte alle Liedtexte ein. Sang Tonleitern im Wald. Er wollte der Beste sein. Endlich hervortreten aus dieser Einsamkeit.
    Doch am Dienstag kam er nicht zur Chorprobe.
    Freygang sah nur noch die weit geöffneten Augen in dem zerstörten Gesicht vor sich, seit er die tote Hortensia gefunden hatte.

Geh aus mein Herz
    I m Hochsommer kann ich nichts pflanzen«, sagte der Gärtner, den Theos Mutter hatte kommen lassen. »Im Oktober setze ich Ihnen alle Stauden, die Sie wollen. Sieht ja traurig aus in Ihrem Garten.«
    Ma nickte und bestellte große Kübel Löwenmäuler, Eisenhut und Lupinen und ließ sie in die Mitte der Wiese stellen.
    »Da war meine Sandkiste«, sagte Theo, bevor es ein anderer sagte.
    Seit Jahren war ihm dieser Hinweis vertraut.
    Er fand seine Mutter verändert. Sie sah noch immer sorgenvoll aus, wenn er das Haus verließ. Doch die Traurigkeit, ohne die er Ma kaum kannte, schien einem Tatendrang zu weichen.
    »Was soll der wilde Aktionismus?«, fragte sein Vater am Abend.
    »Ich will einen schönen Garten«, sagte Ma, »keinen Friedhof.«
    Als der große runde Teakholztisch und die vier Stühle kamen, flippte Pa aus. »Schaff das weg«, schrie er, »ich will keinen schönen Garten.«
    Theo hatte seinen Vater noch nie so außer sich gesehen. Mas Augen füllten sich mit Tränen. Doch sie stellte die Stühle auf und legte fliederfarbene Sitzkissen darauf und bat Theo, die alten Möbel aus Schmiedeeisen in den Keller zu tragen.
    »Sieht toll aus, Ma«, sagte Theo.
    »Vielleicht noch Seerosen«, schrie sein Vater.
    Hüte dich vor dem Teich, hörte Theo den alten Ellerbek mahnen.
    »Tante Ebba meinte, das müssten mir meine Eltern sagen«, sagte er.
    Ma und Pa sahen sich an. Still. Alle beide.
    »Was müssen dir deine Eltern sagen?«, fragte Pa schließlich.
    »Ob wir ein Familiengeheimnis haben.«
    Theos Mutter fing zu schluchzen an. Sein Vater ging zur Mitte der Wiese und strich den Lupinen über die Köpfe.
    »An dieser Stelle ist deine Schwester ertrunken«, sagte er, »weil deine Mutter unachtsam war.« Seine Stimme war nur noch ein Wispern.

    Der alte Arzt kannte viele Geheimnisse. Das von Jan Ellerbek und dem kleinen Jungen im Wald. Das von der anderthalbjährigen Annika, die im Gartenteich ihrer Eltern ertrunken war.
    »Sie müssen es Theo erzählen«, hatte er zu Gesa Ansorge gesagt, wann immer sie in den letzten Jahren in seiner Praxis saß.
    Sie saß oft da, um ihre Tabletten gegen die Depressionen zu holen.
    Als Bunsen Theo vor seiner Tür stehen sah, ahnte er, dass es kein Geheimnis mehr gab. »Komm rein«, sagte er.
    Der alte Arzt führte Theo in das Sprechzimmer und wies auf die Ecke mit den beiden Ledersesseln.
    »Ma und Pa haben sich im Schlafzimmer eingeschlossen«, sagte Theo.
    »Streiten sie sich?«
    Theo nickte. »Ellerbek hatte von einem Teich gesprochen.«
    »Und danach hast du sie heute gefragt? Ich habe immer gesagt, dass es nicht genügt, eine Sandkiste an der Stelle zu bauen oder Gras wachsen zu lassen und zu schweigen«,

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