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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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abzulenken?
    Das Tor war aus Eisen, hoch wie die Hecke und abgeschlossen. Doch es gab zwei Querstreben, in die er die Füße stellen konnte, um über das Tor zu klettern. Als er an der Gartenseite heruntersprang, blieb er an einem Nagel hängen und hörte den Jeansstoff reißen.
    Leni lag neben einer Korbliege und war bedeckt von Rosenblättern. Auf dem hellen Jäckchen, das sie trug, sah man feine Spuren von Blut. Kein Jammern mehr. Sie war ganz still.
    Theo hielt den Atem an, als er sich neben sie kniete und den Puls fühlte.
    Leni schlug die Augen auf und sah ihn an.
    »Wenn mich mein Prinz erst küsst«, sagte sie.
    Theo setzte sich auf den Rasen. »Was ist hier los?«, fragte er. Er sah erst jetzt, dass die Köpfe der weißen Rosen an den Sträuchern kahl waren.
    »Ich lebe noch«, flüsterte Leni und versuchte, ihn zu umarmen.
    Ihre Hände und Arme waren zerkratzt. Die Rosen hatten sich gewehrt.
    Leni entdeckte den Riss in Theos Jeans und schob ihre Hand hinein.
    »Du blutest.« Sie zog die Hand hervor und leckte daran.
    »Du auch«, sagte Theo.
    »Blutsbruder. Blutsschwester«, sang Leni.
    »Was hast du genommen?«, fragte Theo.
    »Lass uns miteinander schlafen«, sagte Leni und presste sich an ihn.
    Einen Augenblick lang hatte Theo das Gefühl, dass Leni nicht einmal wusste, wer er war. Lucky kam ihm in den Sinn, der Ähnliches erlebt hatte.
    Doch Theo ließ sich fallen. Er nahm seine Chance wahr.

    »Tensi hat immer gesungen«, hatte der kleine Junge gesagt, »aber sie traf die Töne nicht.« Kasper war ein musikalisches Kind. Das wurde dem Kommissar vom Vater bestätigt. Kasper hatte das absolute Gehör. Die arme Hortensia war unmusikalisch gewesen.
    Eine Familie wie aus dem Bilderbuch der Wohlhabenden. Drei begabte Kinder. Ein großes Haus mit Blick auf die Elbe. Dort war Hortensia zwei Jahre lang Au-pair-Mädchen gewesen. Hatte Lieder gesungen, Geschichten erzählt, Wäsche gebügelt und die Kinder zur musikalischen Früherziehung begleitet.
    Wie war sie nur in einen Wald im Norden Hamburgs geraten? Tot?
    Lüttich stand auf seinem Balkon und blickte in den Abendhimmel, der nun schon früher dunkel wurde. Bald begann der August.
    Länger als vier Wochen her, der letzte Mord. Lüttich musste nicht mehr befürchten, dass der Täter Freude an einem vierzehntägigen Rhythmus fand. Doch was hatte die Mädchen zu ihrem Mörder geführt?

Hundstage
    M ax zog Anfang August in eines der Löcher, die der Doktor in der ganzen Stadt angemietet hatte. Zwei winzige Zimmer in Altona. Dunkel. Doch er war dort allein. Ohne den Kettenhund, auf dessen Kellerliege er gelebt hatte. Ohne Kringel, der noch immer in der Schanze hauste und dort allmählich verkam. Max fühlte sich fast frei.
    Einer seiner großen Irrtümer an diesem Tag war, das eigene Loch für einen Vertrauensbeweis des Doktors zu halten.
    Er ahnte nicht, dass diese zwei Zimmer seine letzte Chance waren. Die ihm kaum vergönnt gewesen wäre, hätte er weniger gewusst. Doch der Doktor hatte noch keine Lösung für ihn gefunden.
    Ein dummer Zufall, dass Max das eine und andere wusste. Den Namen des Doktors. Den Namen des Mannes, für den auch der Doktor nur ein Vollstrecker war. Max hielt das für Herrschaftswissen, das ihm helfen könnte. Armer, verblendeter Max.
    »Du bringst es nicht«, hatte der Doktor zu ihm gesagt. »Es wird höchste Zeit, dass du deine Umsätze steigerst.«
    Dabei hatte er sie doch schon gesteigert. Den Türsteher eines Kiezlokals als Kunden aufgetan. Der nahm ihm auch mal größere Mengen ab. Das waren Dreißigjährige in schwarzen Klamotten, die der versorgte. Kreative. Viel Kohle. Alt genug, um zu wissen, was sie tun.
    Viel besser, als den Kids das Zeug aufzuquatschen.
    Max packte die Nylontasche aus, die er günstig geschossen hatte.
    Ein paar T-Shirts. Eine zweite Jeans. Boxershorts. Er ging in die versiffte Küche und fand ein Glas im Hängeschrank. Er stellte die Zahnbürste hinein und trug das Glas in das Klo mit Dusche.
    Vielleicht sollte er doch mal ein paar Putzmittel anschaffen.
    Die Klamotten, die er in der Seilerstraße zurückgelassen hatte, waren wohl abgesoffen. Er hatte von Kringels Missgeschick gehört.
    Max stellte die Tasche neben die Matratze, die einigermaßen sauber aussah. Er war nicht verwöhnt, doch seine Behausungen der letzten Wochen waren zum Kotzen.
    Leni durfte er hier nicht empfangen. Die würde sich gleich zu kratzen anfangen. Dreck war nicht die Art Abenteuer, die Leni suchte.
    Gestern hatte er vergeblich

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