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Vorstadtprinzessin

Vorstadtprinzessin

Titel: Vorstadtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Oder?« Der Pastor lächelte verlegen.
    »Damals hatte ich noch nicht viel mit Kirche am Hut«, sagte Tanja.
    »Gut, dass der Chorleiter das geändert hat. Er tut viel für die jungen Talente. Ein großer Gewinn für unsere Gemeinde.«
    Tanja nickte. Um Worte wäre sie verlegen gewesen.
    »Dann noch einen gesegneten Tag«, sagte der Pastor und schloss die Kirchentür auf. Dankwart würde wohl kaum oben sein. Was hatte er ihr einmal gesagt? »Wenn der Pastor kommt, bist du still und bleibst hinten und ich eile an die Orgel.«
    Sie lauschte. Keine Orgel. Sie ging am Tre Castagne vorbei und sah Sigi in der Türe zum Lokal stehen. Tanja steuerte einen der Tische an.
    Das Tre Castagne war schon einmal ein guter Ausguck gewesen.
    »Geht’s dir wieder gut?«, fragte sie, als Sigi an den Tisch kam.
    »Was soll es denn sein?«, fragte Sigi anstelle einer Antwort.
    Dann eben nicht. Früher war er freundlicher gewesen. Hatte einen kleinen Schnack gehalten. Mal was spendiert.
    Tanja bestellte einen Latte. Extra viel Schaum.
    Der Ort hatte sich verändert seit diesen Morden. Viel Misstrauen.
    Sie seufzte und sah zur Kirche. Der Tag konnte kaum mieser werden.

    Max hatte sich ziemlich lange geziert. Doch schließlich gab er den Namen des Doktors preis. Gab nichts mehr zu verlieren. Der Kommissar saß vor seinem Computer und wusste wieder, was da in seinem Kopf geklingelt hatte, als er bei Max im Holstenglacis saß.
    Helenenlund. Klang idyllisch. Eine Klinik im Holsteinischen, die vor vier Jahren geschlossen worden war. Zu viele ungeklärte Todesfälle.
    Der Verdacht, dass Medikamente heimlich an Patienten getestet wurden. Menschenversuche waren das gewesen. Der Narkosearzt war damals untergetaucht, bevor sie ihn verhörten, erkennungsdienstlich also ein unbeschriebenes Blatt. Vermutlich lag er nun in der Rechtsmedizin, der Doktor.
    Doch wer war der Mann hinter ihm?
    Max schwieg dazu. Vielleicht wusste er es tatsächlich nicht. Wen sollte der Junge noch decken wollen? War es gefährlich für Max, wenn es noch jemanden zu decken gab, der Angst vor einer Entlarvung hatte?
    Lüttich schaltete den Computer aus und stand auf. Er wollte noch mal nach Blankenese fahren. Hortensias Gasteltern aufsuchen.
    Es musste doch noch etwas geben, was die beiden Mädchen verband. Nicht nur die hellen Haare und der Hamburger Westen.

    Eine kurze Ehe, die Hardy Diderot in Frankreich geführt hatte. Den Namen seiner früheren Frau trug er noch. Zum Kummer seiner alten Eltern, denen es nicht gefallen hatte, als er den eigenen Familiennamen ablegte. Dabei war das durchaus üblich heutzutage.
    »Deine Mutter und ich passen nicht mehr in die heutige Zeit«, hatte sein Vater dazu gesagt und bitter geklungen.
    Hardy stieg aus seinem anthrazitfarbenen Passat und sah zu den Fenstern seiner Eltern hoch. Die Vorhänge geschlossen. Wie immer. Obwohl es heller Tag war. Vor den Vorhängen die Alpenveilchen, die seine Mutter seit Jahren zu Tode pflegte. Er öffnete den Kofferraum und holte zwei große Einkaufstaschen hervor, die nur knapp Platz darin gefunden hatten. Einen halben Hausstand fuhr er durch die Gegend.
    Er trug die Taschen in den ersten Stock und klingelte kurz, bevor er den Schlüssel ins Schloss steckte. Hinter der Tür war es still.
    Hardy kannte das Spiel. Kam er leise ins Wohnzimmer, saßen sie in ihren Sesseln und guckten ihn triumphierend an. Vater und Mutter wurden immer kindischer. Er konnte sich kaum noch vorstellen, dass er einmal zu ihnen aufgesehen und Halt bei ihnen gesucht hatte.
    »Hallo ihr zwei«, sagte er laut, »ich trage die Einkäufe in die Küche.«
    Auf dem Küchentisch standen Teller, auf denen Essensreste klebten. Sie taten kaum noch etwas selbst, obwohl sie dazu durchaus in der Lage waren. Fremde Hilfe oder Pflege lehnten sie ab. Sie hatten einen Sohn, für den sie Opfer gebracht hatten.
    »Generationenvertrag«, nannte der Vater das.
    Hardy ließ die Spüle volllaufen und legte die Teller in die Lauge.
    Als sie hörten, dass er auspackte, kamen sie herbei.
    »Was bringst du denn da?«, fragte seine Mutter, während er die Einkäufe einräumte. »Brauchen wir das alles?«
    Sie aßen noch nicht wie die Vögelchen, auch wenn sie das von sich behaupteten. Er kaufte zweimal in der Woche groß ein. Montags und am Donnerstag. Es blieb selten was übrig.
    Er fing bei den Betten an und putzte dann das Bad und die Böden. Klebrige Spuren darauf. Besser nicht fragen, was es war. Gleich würde sein Vater hinter ihn treten und sich

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