Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorstandssitzung im Paradies

Vorstandssitzung im Paradies

Titel: Vorstandssitzung im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
einen Monat gemeinsam im Lager lebten, kannte ich ihn eigentlich kaum. Deshalb war ich ein wenig überrascht, als er eines Tages zu mir kam und sagte, dass er vertraulich mit mir reden wolle.
    Ich hatte nichts dagegen.
    »Mir spukt schon seit zwei Wochen eine ziemlich ausgefallene Idee durch den Kopf«, bekannte Keast. »Du kennst ja die internationalen Notsignale, das SOS-Zeichen. Ich weiß sehr gut, dass wir keine Notsignale aufs Meer aussenden können, weil im Inneren der Insel vielleicht ein Krieg im Gange ist. Auch euer Artilleriefeuer war eigentlich viel zu gefährlich, denn man hätte uns entdecken können.«
    Er fuhr fort:
    »Wir müssten uns also ein Notsignal ausdenken, das nicht hier in Melanesien, wohl aber in London, New York oder meinetwegen in Moskau bemerkt werden kann.«
    »Wir müssten einen Radiosender bauen«, sagte ich. »Daran habe ich zwar auch gedacht, aber wir sind nicht in der Lage dazu. Die entsprechenden Anlagen im Flugzeugwrack sind zerstört, und man könnte sie unter Wasser sowieso nicht ausbauen, selbst wenn sie intakt wären.«
    Wir hatten uns ein Stück vom Lager entfernt. Keast sah mir in die Augen und sagte: »Hoffentlich hältst du mich nicht für einen Spinner.«
    »Keine Sorge«, sagte ich.
    »Den Erdball umkreisen ständig verschiedene Satelliten. Einige von ihnen sind für den Wetterdienst unterwegs, andere dienen der militärischen Spionage oder der Forschung. Sie alle fotografieren und filmen von ihrer Umlaufbahn aus die Erde. Weil wir keine Sendeanlagen haben, können wir den Satelliten auf diesem Wege keine Signale geben, wir müssen uns stattdessen etwas anderes ausdenken. Wenn es uns gelingt, irgendwie Kontakt zu ihnen herzustellen, dann haben wir Chancen, von hier gerettet zu werden.«
    Keasts buchstäblich hochfliegenden Ideen begannen mich zu interessieren. Mir kam eine verrückte Idee. Wenn wir nun mit der Kanone direkt in den Himmel schießen würden? Laut äußerte ich das aber nicht.
    Keast blickte aufs Meer, dann wandte er sich mir zu: »Die niedrigste Flughöhe dieser Satelliten beträgt etwa tausend Kilometer, aus dieser Entfernung fotografieren sie die Erdoberfläche. Wenn wir hier unten eine Lichterscheinung hervorbringen könnten, die in ihrer Wirkung beispielsweise einem Vulkanausbruch gleichkommt, dann würde man uns vielleicht bemerken. Der Satellit würde die Erscheinung registrieren, und ich bin sicher, dass man sie in seinem Entsendeland untersuchen und dabei auf den Verursacher, also auf uns, stoßen würde.«
    Der Mann war in Fahrt gekommen. Er redete enthusiastisch weiter:
    »Wenn der Satellit in tausend Kilometern Höhe fliegt und sich auf der Erdoberfläche ein leuchtender Gegenstand beziehungsweise eine entsprechende Erscheinung von einem Kilometer Länge befindet, dann ist das direkte Verhältnis der Aufnahme eins zu tausend, stimmt’s? Aber in Wirklichkeit ist das Verhältnis günstiger. Die Satelliten fotografieren die Erde mit Kameras mit großer Brennweite, und dadurch verändert sich das Verhältnis zu unseren Gunsten. Außerdem werden die Filme natürlich später im Entsendeland vergrößert, und interessante Ausschnitte werden Millimeter für Millimeter untersucht. Auch wenn die außergewöhnliche Lichterscheinung nur einen halben Kilometer lang ist, könnte sie schon Aufmerksamkeit erregen, glaubst du nicht?«
    »Du meinst, wir sollten die Buchstaben SOS auf einem halben Kilometer Länge in den Dschungel malen und dann auf die Retter warten.«
    »Genau das meine ich«, sagte Keast begeistert.

19
    Keast und ich vereinbarten, dass wir diese revolutionäre Idee noch ein wenig weiterentwickeln würden, ehe wir sie unseren Leidensgefährten vorstellen wollten.
    Wir dachten, dass ein Rettungsplan in dieser Form womöglich falsch aufgenommen würde, zumal es sich um eine ziemlich ausgefallene Methode handelte, der unfreiwilligen Gefangenschaft auf dieser Insel zu entrinnen.
    Die folgende Nacht brachte uns allerdings zunächst ganz andere Probleme. Es brach ein tropischer Sturm aus.
    Wenn von einem tropischen Sturm die Rede ist, können sich Europäer vermutlich kaum vorstellen, was das bedeutet. Jeder, der einmal einen solchen Sturm erlebt hat und Außenstehenden davon erzählen will, weiß, dass Worte diese Erfahrung nur begrenzt wiedergeben können. So geht es auch mir, aber ich will trotzdem, und im Wissen um meine unzulänglichen Fähigkeiten, versuchen, den Lauf der Ereignisse zu schildern.
    Es begann am Abend des Tages, an dem Keast und

Weitere Kostenlose Bücher