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Vorstandssitzung im Paradies

Vorstandssitzung im Paradies

Titel: Vorstandssitzung im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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nun an gingen die Frauen nie mehr allein in die Sauna, sondern sie warteten, bis sich männliche Begleitung fand. Angst und Schamhaftigkeit reichten sich die Hand.

25
    Eines Tages hackte ich zusammen mit Taylor an einem großen Baum, und in einer Pause sagte er zu mir:
    »Ist dieser ganze Aufwand für eine Rettung wirklich vernünftig? Mir scheint, dass man hier ganz gut seine letzten Lebensjahre verbringen könnte.«
    Er überlegte laut, warum wir eigentlich so versessen darauf waren, in eine von Kriegen zerrissene Welt zurückzukehren, um dort hohe Steuern zu zahlen, teure, überflüssige Produkte zu kaufen, uns Lungenkrebs und andere Krankheiten einzuhandeln, uns das ewige Klagen unserer Frauen über geschwollene Beine und den Andrang im Waschkeller anzuhören. In Europa bestand Energiemangel, dort war es kalt, und was die westliche Demokratie anbelangte, so war die erst recht kein Grund, die Insel zu verlassen, das System dieses Lagers war zumindest viel besser. Er, Taylor, hatte jedenfalls keines der beiden Häuser des englischen Parlamentes vermisst, weiß Gott nicht! Er erinnerte noch an den Beschluss zum EU-Beitritt und wurde richtig wütend: Wir sind ja verrückt, wenn wir von hier weggehen!
    Ich erwähnte, dass das Leben auf der Insel auch seine Nachteile hätte. »Wir haben zum Beispiel kein Fernsehen«, sagte ich.
    »Fernsehen! Wozu das? Menschliche Tragödien, gemischt mit Unterhaltung, irres Lachen ohne jede Vernunft. Und Werbung! Natürlich gibt es im Fernsehen auch interessante Sendungen, ich mochte zum Beispiel immer besonders gerne Naturreportagen von Regionen wie dieser, in der wir uns jetzt befinden… aber müssen wir extra dafür wieder nach Europa zurückkehren, damit wir uns im Fernsehen ansehen können, wie gut wir es hier haben?!«
    Taylor redete noch lange über all das Gute, das wir hier genießen durften: Wir lebten in vollständiger sexueller Freiheit, umgeben von jungen Frauen, und diese umgeben von uns, wir aßen mittlerweile sehr gut, wir hatten reichlich schmackhafte Fische, Früchte im Überfluss, Schildkrötenfleisch, Schnecken, Kriechtiere, Wurzeln, Wildschweine, Vögel! Wir hatten die Möglichkeit, Drinks zu uns zu nehmen, wann immer wir wollten, wir lernten Sprachen, konnten Sport treiben, wir hatten eine gut organisierte medizinische Betreuung, wir hatten gelernt, mit der tropischen Natur umzugehen und sie zu verstehen. »Wir können die Sauna besuchen, nach Herzenslust im warmen Meer baden… wir leben eigentlich im Paradies«, sagte er.
    In der Tat, wenn man die Sache so sah, schien der ganze SOS-Plan ein wenig dumm.
    Aber unsere Familien in Europa!
    »Wir sind jetzt schon so viele Wochen weg, dass man uns für tot hält und längst betrauert hat. Natürlich wäre es schön, die Frau und vor allem die Kinder wieder zu sehen, aber wer weiß, ob sie uns überhaupt zurückhaben wollen. Ich denke mir, dass meine Frau wieder heiraten will, und selbst wenn sie vielleicht ein bisschen über mein Verschwinden geweint haben sollte, so findet sie doch inzwischen bestimmt Gefallen an ihrer neuen Freiheit. Es könnte passieren, dass sie schwer enttäuscht wäre, wenn ich plötzlich in der Tür stünde.«
    Ich fragte ihn, wann er seine Meinung geändert habe – ich erinnerte mich nämlich, dass gerade er anfangs diese Insel lautstark in die tiefste Hölle gewünscht hatte.
    »Ich habe einfach genauer über das Leben hier nach gedacht. Auch du solltest dir mal über diese Seite der Angelegenheit Gedanken machen«, sagte er.
    Wir verständigten uns darauf, dass er trotzdem nicht den Rettungsplan boykottieren würde.
    »Die Leute werden mit der Zeit selbst begreifen, was sie da tun«, sagte Taylor.
    Nach Ende des Arbeitstages bat er mich auf einen Drink ins Dschungelrestaurant. Das Lager hatte ein geräumiges Freiluftrestaurant eingerichtet, in dem Kokosschnaps und -wein verkauft wurden; den ersteren bekam man auch gekühlt, denn wir stellten das destillierte Getränk vor dem Ausschenken in unseren Kühlschrank.
    An diesem Abend tranken wir Kokosschnaps für sieben Stunden Arbeitszeit, und ich muss sagen, wir amüsierten uns prächtig.

26
    Wir lebten inzwischen schon drei Monate auf der Insel. Jeder von uns hatte sich eine provisorische Unterkunft zusammengebastelt, aber es waren alles andere als großartige Wohnungen – der Wind hatte den Stoff der Rettungswesten zerfetzt, sodass er nicht mehr wasserdicht war, und die Stürme wirbelten ohnehin jedes Mal alles durcheinander. So mancher

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