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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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vorstellen? So etwas wie ein drahtloses Interface?«
    »Ja, in gewisser Weise. Nur dass die Signale, die ich bekomme, neuronale Regler sind. Auf Vox verfügt jeder über einen interaktiven Knoten, über den wir alle miteinander verbunden sind. Das Netzwerk verhilft uns zu einem limbischen Konsens. Ich weiß nicht, warum man es noch nicht repariert hat. Selbst wenn die Transponder in Vox-Core zerstört wurden, sollte man die elementaren Funktionen inzwischen wieder im Griff haben. Es sei denn, die Prozessoren selbst sind betroffen. Aber die sind so konzipiert, dass sie außer einem direkten nuklearen Treffer praktisch alles aushalten.«
    »Vielleicht ist ja genau das passiert – ein solcher Treffer?«
    Anstelle einer Antwort zuckte sie traurig mit den Schultern.
    »Was heißt, da drüben könnte alles verstrahlt sein.«
    »Wir haben keine andere Wahl.«
    Nachdem sie eingeschlafen war, setzte ich mich auf und stocherte im Feuer herum.
    Ohne dämpfende Medikamente kamen langsam meine Erinnerungen zurück. Es war erst wenige Tage her, da hatte ich versucht, eine Reihe von Erdbeben zu überstehen, die der temporale Bogen erzeugt hatte, als er sich in der äquatorianischen Wüste aus seinem Schlaf erhoben hatte – und jetzt war ich hier auf Vox. So etwas, dachte ich, kann man nicht verstehen. Man kann es nur aushalten.
    Ich ließ das Feuer herunterbrennen. Über mir schimmerte der Torbogen der Hypothetischen – ein Lächeln zwischen den Sternen –, und das Echo des Meeres dröhnte an den Steilwänden herauf. Ich dachte an die Menschen, die Vox-Core mit Kernwaffen angegriffen hatten, diese »kortikalen Demokratien«. Wer tat so etwas? Waren ihre Gründe wirklich so banal, wie Treya sie hinstellte?
    Ich nahm mir vor, soweit das möglich war, in diesem Konflikt neutral zu bleiben. Es war nicht mein Krieg. Und ich fragte mich, ob Allison Pearl, Treyas Impersona, nicht ähnlich neutral war. Ja, vielleicht war es das, was Treya so verstörte: »Allison« und ich waren beide Schatten einer desinteressierten Vergangenheit, beide potenziell illoyal gegenüber Vox-Core.
    6.
    Im Morgengrauen brachen wir unser Lager ab und folgten der gekrümmten Steilwand, bis wir zu besagter »Treppe« kamen: breite Schrägen im Granit. Die Zeit hatte aus den Stufen abschüssige Simse gemacht, schwindelerregende drei Meter breite Stürze, die Flächen glitschig vor Moos und Vogelkot, und je tiefer wir kamen, umso lauter brauste das Meer. Schließlich verdeckten die hohen Steilränder der beiden benachbarten Inseln den gesamten Himmel, abgesehen von einigen schräg einfallenden Sonnenstrahlen. Wir kamen nur langsam voran und legten zwei Pausen ein, in denen Treya ihre High-Tech-Spritze konsultierte. Sie machte ein grimmiges Gesicht, doch darunter flackerte Angst. Sie blickte immer wieder über die Schulter nach oben, als fürchtete sie, man würde uns verfolgen.
    Dem Einfallswinkel des Lichts nach zu urteilen, war es bereits nach Mittag, als ich Treya den letzten senkrechten Sturz hinunterhalf. Das Tunneldach war tatsächlich breiter, als es von oben ausgesehen hatte, so dass wir leidlich sicher stehen konnten. Aber das Gehen auf einem Grund, der sich rechts und links abwärts wölbte, war ziemlich zermürbend. Ein Dunstschleier verbarg die etwa achthundert Meter entfernte Anschlussstelle, wo uns eine weitere riskante Kletterpartie erwartete, die wir hoffentlich vor Einbruch der Dunkelheit bewältigen würden. Hier wurde es rasch dunkel.
    Um uns auf andere Gedanken zu bringen, fragte ich Treya (oder Allison Pearl), was sie über Champlain wisse.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob auf meine Antwort Verlass ist.« Sie seufzte und fuhr fort: »Champlain. Kalte Winter. Heiße Sommer. Im See von Catfish Point schwimmen. Meine Familie war fast immer pleite. Das war die Zeit nach dem Spin, als alle schwärmten, die Hypothetischen würden es ganz bestimmt gut mit uns meinen, würden uns beschützen. Ich habe das nie geglaubt. Wenn man über die Gehsteige von Champlain spaziert – weißt du, wie Beton in der Sommerhitze glitzert? Ich muss kaum älter als zehn gewesen sein, aber ich weiß noch, dass ich gedacht habe, genau so müssen wir auf die Hypothetischen wirken – nicht nur wir, sondern der ganze Planet. Wie ein Glitzern am Boden. Etwas, das man bemerkt und dann vergisst.«
    »Treya redet anders über die Hypothetischen.«
    Sie sah mich zornig an. »Ich bin Treya.« Dann, nach ein paar Schritten: »Allison hat sich geirrt. Die Hypothetischen – sie

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