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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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sind nicht gleichgültig. Sie sind Götter.« Sie blieb stehen, blinzelte mich an, wischte sich die Salzgischt aus den Augen. » Du solltest das wissen!«
    Ja, vielleicht sollte ich das …
    Bald darauf erreichten wir die Mitte des Tunnels, wo sich der Wind zwischen den Steilwänden zu einem tosenden Sturm verdichtete, sodass wir auf Händen und Knien krabbeln mussten, wie Ameisen, die sich im Regen an eine Wäscheleine klammerten. Ein Gespräch war ausgeschlossen. Hin und wieder drangen von unten Vibrationen an meine Handflächen – wie das Aufstöhnen von Metall unter extremer Belastung. Was brauchte es, um dieses angeschlagene Archipel auseinanderzureißen? Noch einen nuklearen Angriff? Oder einfach nur hohen Seegang und Sturm, die Schäden des ersten Angriffs vorausgesetzt? Ich stellte mir reißende Kabel vor, die so dick wie U-Bahnen waren, und Inselschiffe, die wie zerschlagene Piñatas ihren Inhalt ins Meer erbrachen. Es war kein angenehmer Gedanke. Wenn Treya nicht gewesen wäre, ich wäre umgekehrt. Aber wenn Treya nicht gewesen wäre, wäre ich erst gar nicht in diese Lage gekommen.
    Endlich kamen wir in den Schatten der gegenüberliegenden Steilwand. Der Wind wurde zu einem leisen Klagen, und wir konnten wieder aufrecht gehen. Die Stufen im Granit waren wie die auf der anderen Seite: erodiert, mit Moos bewachsen, steil, nach Meer stinkend. Wir hatten vielleicht ein Dutzend erklommen, als Treya nach Luft schnappte und erstarrte.
    Der Sims über uns war voller Leute.
    Offenbar hatten sie uns kommen sehen und sich bis jetzt versteckt gehalten. Sie machten nicht den Eindruck eines Begrüßungskomitees.
    »Farmer«, flüsterte Treya.
    Es waren vielleicht dreißig, Männer und Frauen, und alle starrten sie uns mit grimmigen Mienen an. Etliche trugen Geräte bei sich, die durchaus Waffen sein konnten. Treya warf einen kurzen Blick zurück auf den Tunnel, aber es war inzwischen zu dunkel, um zurückzulaufen. Wir saßen in der Falle.
    Treyas Finger fanden meine Hand. Sie waren ganz kalt. Ich spürte ihren Pulsschlag. »Lass mich mit ihnen reden«, sagte sie.
    Ich schob sie auf den nächsten Sims, und sie half mir hoch, sodass wir auf Augenhöhe mit den Farmern waren, die uns umringten. Treya hob die Hände zu einer versöhnlichen Geste. Dann trat der Anführer vor.
    Zumindest hielt ich ihn dafür. Er trug nichts an sich, was ihn als solchen gekennzeichnet hätte, doch niemand schien seine Autorität infrage zu stellen. Er hatte einen spitz zulaufenden Metallstab von der Länge eines Spazierstocks in der Hand. Wie die anderen war er ziemlich groß. Seine dunkle Haut war fein gerunzelt.
    Ehe er den Mund öffnen konnte, sagte Treya etwas in ihrer Heimatsprache. Er hörte ungeduldig zu. Schließlich murmelte sie auf Englisch: »Ich habe ihm gesagt, du wärst einer der Aufgenommenen, falls ihn das überhaupt …«
    Es interessierte ihn nicht. Der Mann schleuderte Treya einige Worte entgegen, und sie beugte zitternd den Kopf.
    »Egal, was passiert«, flüsterte sie, »halt dich da raus.«
    Dann packte der Anführer sie bei den Schultern, drückte sie auf die glitschige Stufe hinunter und gab ihr einen Schubs, sodass sie mit gespreizten Gliedern auf das Gesicht fiel. Ihre Wange schrammte über den Fels und begann zu bluten. Sie kniff vor Schmerz die Augen zu.
    Ich hatte mich in meinem Leben gerade oft genug geprügelt, um zu wissen, dass es weitaus bessere Kämpfer als mich gab. Aber ich konnte nicht tatenlos zusehen. Ich hob die Fäuste – doch bevor ich dem Mann gefährlich werden konnte, packten mich seine Kameraden und zwangen mich auf die Knie.
    Der Anführer setzte den Fuß auf Treyas Schulter und hielt sie so am Boden. Dann hob er seinen Metallstab und senkte ihn langsam nach unten.
    Das spitze Ende berührte eine Verdickung an Treyas Wirbelsäule unterhalb des Nackens. Ihr Körper erstarrte.
    Und dann stieß der Farmer kräftig zu.

3
    SANDRA UND BOSE
    Als Sandra zu Bett ging, war sie überzeugt, dass das Dokument eine Fälschung war, ein schlechter Scherz. Leider war es inzwischen zu spät, um Bose anzurufen und ihm diese Erkenntnis mitzuteilen. Andererseits – dafür, dass es ein Scherz war, war es ziemlich gut gemacht. Sie konnte nicht glauben, dass Orrin Mather, dieser schüchterne, einsilbige Bursche, den sie in der State Care befragt hatte, auch nur einen halben Satz davon selbst geschrieben hatte. Bestenfalls hatte er den Text aus irgendeinem Science-Fiction-Roman abgeschrieben und gab ihn nun als sein

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