Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson

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überschatteten Hängen erstrahlte es in klarem Blau.
    Jenseits des windwärtigen Gebirgshangs stießen wir auf starke Bewölkung und Schneeschauer. Ich fragte Oscar, wie gefährlich es sei, unter solchen Umständen zu fliegen. Er sah mich an, als hätte ich etwas Lächerliches gesagt. »Wir sind so sicher wie in Abrahams Schoß«, erwiderte er.
    Er war aus einem anderen Grund angespannt. Generationen hatten in der Erwartung gelebt, Vox werde eines Tages den Hypothetischen begegnen und mit ihnen verschmelzen – und nun war es an Oscars Generation, diese Prophezeiung zu erfüllen. Indem er sich der Expedition angeschlossen hatte, hatte er sich zum Wegbereiter dieser Begegnung gemacht. Das war aus Oscars Perspektive eine wahrlich spektakuläre Fügung – ob zum Guten oder zum Schlechten, würde sich zeigen.
    Wind und Schneeböen begleiteten uns bis zum vorgesehenen Landeplatz.
    So wie die Antarktis jetzt aussah, wäre auf Karten aus meiner Zeit kein Verlass gewesen. Die großen Eisdecken waren schon vor Jahrhunderten weggeschmolzen, und Ross- und Weddel-Meer hatten sich zusammengetan, um die Ost-Antarktis von den riesigen Inseln vor ihrer Westküste zu trennen. Oscar erklärte, unser Landeplatz liege in einer Gegend, die in alten geologischen Befunden als Wilkes-Becken bezeichnet wurde, bei ungefähr 70 Grad südlicher Breite. Eine flache, kiesige Einöde.
    Kaum hatte die Maschine aufgesetzt, rüsteten wir uns für den Ausstieg. Zogen dicke, isolierende Überkleidung an, die uns warm halten sollte, und dicht schließende Masken, die uns mit sauberer Atemluft versorgten. Die Luftschleuse blickte auf eine kahle, aber nicht unbedingt hässliche Landschaft hinaus. Die Antarktis war eine einzige Wüste, doch Wüsten haben nicht selten ihre Schönheit. Ich musste an das äquatorianische Hinterland denken oder an die Wüsten von Utah und Arizona oder an die alten Bilder vom Mars, als er noch nicht terrage formt war. Ja, das Terrain unter uns hätte in seiner steinigen Leblosigkeit gut und gerne auf diesem Mars sein können … Das hiesige Klima, so Oscar, sei relativ trocken und kalt, aber nicht kalt genug, um eine permanente Eiskappe zu bilden. Ein spätsommerlicher Schneefall wie dieser werde bestimmt noch vor Ablauf des Tages weggeschmolzen sein. Der Schnee fiel in Schauern, wehte in Löcher und Vertiefungen und verwischte die Konturen der niedrigen, parallelen Bergrücken, die sich in der Ferne verloren.
    Die Sonne, ein trüber Glutfleck hinter dichten Wolken, stand knapp über dem Horizont. Wir würden noch einige Stunden Tageslicht haben, waren aber auch bestens für die Dunkelheit gerüstet. Die Soldaten luden Hochleistungsscheinwerfer und eine Unmenge anderer Geräte auf Wagen mit großen Rädern und Allradantrieb. Dann formierten sie sich und marschierten los, die Zivilisten im Schlepptau.
    Wir richteten uns nach dem Kompass. Die Maschinen der Hypothetischen waren noch außer Sichtweite. Wir waren ein gutes Stück außerhalb des Umkreises gelandet, der durch den Verlust der Drohnen bestimmt war, und niemand wusste, wie uns das Übertreten dieser Grenze bekommen würde. »Selbstverständlich vertrauen wir den Hypothetischen«, sagte Oscar. »Aber sie haben, wie andere Lebewesen auch, autonome Funktionen. Es können Dinge passieren, hinter denen kein bewusster Willensakt steht, besonders wenn man die unterschiedlichen Größenordnungen von Zeit und Raum bedenkt, in denen die Hypothetischen agieren.« Doch nichts davon schien so real und greifbar zu sein wie das Zerren des Windes an unserer Kleidung, das monotone Knirschen des Kieses unter unseren Füßen und der feine Gestank nach Schwefelwasserstoff, der durch unsere Masken kam.
    Wir waren eine knappe Stunde unterwegs, als uns einer der Techniker mit Blick auf sein Messinstrument Einhalt gebot.
    »Wir sind an der Gefahrengrenze«, sagte Oscar leise. Der Punkt, an dem die Drohnen versagt hatten …
    Drei Soldaten gingen voraus, während der Rest nervös abwartete. Das Schneegestöber hatte sich gelichtet, und man konnte hier und da den Himmel sehen, doch das Tageslicht nahm rapide ab. Die Techniker schalteten zwei Scheinwerfer an und schwenkten sie in Richtung Vorhut.
    Die drei Soldaten blieben in einer bestimmten Entfernung stehen, dann winkten sie uns weiter. Wir folgten in gebührendem Abstand, angekündigt durch zwei tanzende Lichtbalken – sollten die Hypothetischen zufällig Ausschau halten, dann waren wir nicht zu übersehen.
    Aber wir waren bereits ein gutes