Vorübergehend tot
dir entschuldigen“, sagte ich, „schon zum zweiten Mal.“
„Warum warst du so wütend?“
Die Sache mit Arlene konnte ich ihm nicht sagen.
„Was machst du, wenn du wütend wirst, Bill?“
„Ich reiße einen Baum aus“, sagte er. „Manchmal tue ich auch jemandem weh.“
Ein Loch zu graben schien da gar nicht mal so schlecht. Es war sogar irgendwie konstruktiv. Aber ich stand immer noch total unter Strom - nur war das jetzt eher ein leises Brummen, kein Kreischen in den höchsten Tönen. Ruhelos blickte ich mich um, auf der Suche nach irgend etwas, an dem ich mich auslassen könnte.
Bill schien die Symptome bestens analysieren zu können. „Liebe!“ schlug er vor. „Mach Liebe mit mir.“
„Ich bin nicht in der richtigen Stimmung für Sex.“ „Darf ich versuchen, dich zu überreden?“
Wie es sich herausstellte, gelang ihm das bestens.
Zumindest war danach mein Wutüberschuß verrauscht, aber es blieben Rückstände von Traurigkeit, gegen die der Sex nichts hatte ausrichten können. Arlene hatte mich verletzt. Während Bill mir Zöpfe flocht - eine Beschäftigung, die er offenbar als beruhigend empfand -, starrte ich vor mich hin.
Von Zeit zu Zeit kam ich mir vor, als sei ich Bills Puppe.
„Heute abend war Jason im Lokal“, erzählte ich.
„Was wollte er?“
Manchmal war Bill mir einfach zu schlau, was seine Einschätzungen von Leuten betraf.
„Er appellierte an meine Kräfte - das Gedankenlesen. Er wollte, daß ich die Köpfe von allen Männern durchleuchte, die ins Lokal kommen, bis ich herausgefunden habe, wer der Mörder ist.“
„Im Prinzip gar keine schlechte Idee - wenn man davon absieht, daß sie ziemlich viele Mängel aufweist.“
„Findest du?“
„Säße der Mörder im Gefängnis, dann würde man sowohl deinen Bruder als auch mich mit wesentlich weniger Mißtrauen betrachten, und dein Leben wäre weitaus sicherer.“
„Das stimmt, aber ich weiß wirklich nicht, wie ich es anstellen soll, und es wäre auch ziemlich schwer, schmerzhaft und anstrengend, durch all das Zeug zu waten, das die Menschen in ihren Köpfen haben, nur um ein ganz klein wenig Information zu erhaschen, den Hauch von einem Gedanken.“
„Nicht schmerzhafter oder härter, als unter Mordverdacht zu stehen. Du bist einfach viel zu sehr daran gewöhnt, deine Gabe unter Verschluß zu halten.“
„Findest du?“ Ich wollte mich umdrehen, um Bill ins Gesicht zu sehen, aber er hieß mich still sitzen, damit er die Zöpfe fertigflechten konnte. Ich hatte es nie als selbstsüchtig betrachtet, mich aus den Köpfen anderer Leute fernzuhalten, aber in diesem Fall konnte man das wohl so nennen. Ich würde allerdings die Privatsphäre ziemlich vieler Menschen verletzen müssen. „Eine Detektivin“, murmelte ich, ein Versuch, die Sache in ein besseres Licht zu rücken.
„Sookie“, sagte Bill, und irgend etwas in seiner Stimme veranlaßte mich, die Ohren zu spitzen. „Eric hat gesagt, ich soll dich mal wieder nach Shreveport bringen.“
Ich brauchte eine Sekunde, ehe mir wieder einfiel, wer Eric war. „Der große Wikinger-Vampir?“
„Der uralte Vampir“, sagte Bill, und das schien ihm wichtig zu sein.
„Heißt das, er hat dir befohlen, mich zu ihm zu bringen?“ Die Sache gefiel mir nicht. Ich hatte auf der Bettkante gesessen, Bill hinter mir. Nun wandte ich mich um, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Diesmal hinderte er mich nicht daran. Prüfend musterte ich meinen Freund und entdeckte in seinem Gesicht etwas, was ich noch nie zuvor dort gesehen hatte. „Du mußt das machen!“ sagte ich entsetzt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, daß irgendwer Bill Befehle erteilte. „Aber Schatz, ich möchte Eric gar nicht wiedersehen.“
Ich konnte klar erkennen, daß das keine Rolle spielte.
„Wer ist er, der Pate der Vampire?“ fragte ich nun wütend und ungläubig. „Hat er dir ein Angebot gemacht, das du nicht ablehnen konntest?“
„Er ist älter als ich. Genauer gesagt: Er ist stärker.“
„Niemand ist stärker als du“, sagte ich im Brustton der Überzeugung.
„Ich wollte, du hättest recht.“
„Dann ist er also der Chef der örtlichen Sektion eurer Vampirmafia?“
„Ja. So etwas in der Art.“
Bill schwieg sich immer aus, wenn es um die Strukturen ging, in denen Vampire ihre eigenen Angelegenheiten regelten. Bis jetzt hatte ich dagegen auch nichts einzuwenden gehabt.
„Was will er? Was wird geschehen, wenn ich nicht gehe?“
Die erste Frage überging Bill. „Er
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