Vorübergehend tot
Temps entfernt, so, wie ich es von ihm erbeten hatte.
Ich sage, unsere damalige Routine fühlte sich noch unbeständig an, weil mir schien, als warteten wir auf irgend etwas. Daß das Nest in Monroe niedergebrannt worden war, hatte Bill wütend gemacht, ihm aber auch, so glaube ich zumindest, einen gehörigen Schrecken versetzt. So allmächtig und stark zu sein, wenn man wach ist, und gleichzeitig vollständig hilflos, wenn man schläft, das war gewiß sehr unangenehm.
Wir fragten uns, ob sich die Ressentiments Vampiren gegenüber nun legen würden, wo doch die schlimmsten Unruhestifter in unserer Gegend tot waren.
Bill sagte es nie direkt, aber ich entnahm bestimmten Andeutungen, die sich von Zeit zu Zeit in unsere Gespräche schlichen, daß er sich um meine Sicherheit sorgte und sich weiterhin sorgen würde, solange der Mörder Maudettes, Dawns und meiner Oma noch auf freiem Fuß war.
Sollte die männliche Bevölkerung von Bon Temps und Umgebung gedacht haben, sie könne sich nun, da sie die Vampire in Monroe ausgeräuchert hatte, beruhigt zurücklehnen, dann hatte sie sich getäuscht. Bei allen drei Opfern belegte der Autopsiebericht letztlich, daß sie die vollständige Blutmenge im Körper gehabt hatten, als sie umgebracht wurden. Zudem hatten die Bißspuren am Hals Maudettes und Dawns nicht nur alt ausgesehen, sie erwiesen sich auch wirklich als alt. Die Todesursache war bei allen Frauen Erwürgen. Maudette und Dawn hatten Sex gehabt, ehe sie starben - und danach.
Arlene, Charlsie und ich waren vorsichtig geworden, wir hielten uns nie mehr allein auf dem Parkplatz auf, wir überprüften die Türen unserer Häuser, wenn wir heimkamen, und schauten erst einmal, ob sie so fest verschlossen waren, wie wir sie hinterlassen hatten. Wir versuchten, beim Autofahren auf die Wagen vor uns und hinter uns zu achten. Aber es ist nicht einfach, ständig auf der Hut zu sein; ein solches Verhalten ist ziemlich nervenaufreibend, und ich bin sicher, ich war nicht die einzige, die langsam, aber sicher wieder in die alten, sorglosen Verhaltensweisen verfiel. Vielleicht ließ sich dies bei Arlene und Charlsie eher entschuldigen, denn sie lebten, anders als die ersten beiden Mordopfer, nicht allein. Arlene wohnte mit ihren beiden Kindern (und von Zeit zu Zeit mit Rene Lenier) zusammen, Charlsie mit ihrem Mann Ralph.
Ich war die einzige, die allein lebte.
Jason kam fast jeden Abend in unser Lokal und achtete peinlich genau darauf, dann auch jedes Mal ein paar Worte mit mir zu wechseln. Ich wußte, er war bemüht, den Bruch zwischen uns wieder zu kitten, und gab mir Mühe, entsprechend zu reagieren. Aber Jason trank auch sehr viel, und in seinem Bett gingen mehr Besucherinnen ein und aus als in der öffentlichen Toilette, und das, obwohl er für Liz Barrett wirklich etwas zu empfinden schien. Wir strengten uns beide an, bei der Abwicklung der Angelegenheiten unserer Großmutter und unseres Großonkels freundschaftlich zusammenzuarbeiten, auch wenn Jason mit den Angelegenheiten unseres Onkels mehr zu tun hatte als ich. Bis auf mein Legat hatte Onkel Bartlett seinen gesamten Besitz Jason hinterlassen.
Eines Abends, als er ein Bier zuviel getrunken hatte, berichtete mir Jason, er sei noch zwei Mal auf die Polizeiwache geladen worden, und die ganze Sache mache ihn langsam völlig kirre. Er war also endlich zu Sid Matt Lancaster gegangen, und Sid Matt hatte ihm geraten, nicht mehr bei der Polizei zu erscheinen, es sei denn, er, Sid Matt, könne ihn begleiten.
„Aber warum laden sie dich denn immer wieder vor?“ fragte ich Jason. „Es muß da irgend etwas geben, was du mir nicht erzählt hast. Andy Bellefleur setzt niemandem sonst so zu wie dir, und ich weiß, daß weder Maudette noch Dawn in Bezug auf die Männer, die mit ihnen nach Hause gehen durften, besonders wählerisch waren.“
Jason machte daraufhin einen schrecklich geknickten Eindruck. So schlimm in Verlegenheit hatte ich meinen wunderschönen älteren Bruder noch nie erlebt.
„Videos“, murmelte er.
Ich beugte mich näher zu ihm heran, um sicher zu gehen, daß ich ihn auch wirklich richtig verstanden hatte. „Videos?“ fragte ich ungläubig.
„Pst!“ zischte er und sah sich hektisch um, wobei er so schuldig wirkte wie die Hölle selbst. „Ja. Wir haben Videos gemacht.“
Ich glaube, nach dieser Ankündigung war ich ebenso verlegen wie er. Brüder und Schwestern müssen wahrlich nicht alles voneinander wissen! „Du hast den Frauen eine Kopie
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