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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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begeistert darüber, daß eine Frau ihn gerettet hatte. Typisch Mann.
    Ich dachte, da er sich so undankbar zeigte, könnte ich auch etwas unhöflich sein. Also ließ ich mein Visier fahren und öffnete meine Gedanken für die seinen, um ihm ein wenig zuzuhören.
    Ich hörte ... nichts.
    „Oh!“ sagte ich ganz erschrocken und achtete nicht wirklich auf meine Worte. „Ich kann Sie nicht hören!“
    „Vielen Dank!“ wiederholte der Vampir, übertrieben laut und deutlich.
    „Nein, nein ... was Sie sagen, kann ich schon hören, aber ...“, und in meiner Aufregung tat ich etwas, was ich normalerweise nie täte, weil das aufdringlich wäre und zu persönlich, und weil es zeigen würde, daß ich behindert bin. Ich drehte mich so, daß ich ihm direkt gegenübersaß, legte beide Hände seitlich an sein weißes Gesicht und sah ihm eindringlich in die Augen. Dabei konzentrierte ich mich mit aller Kraft. Nichts! Als hätte man die ganze Zeit Radio hören müssen, und zwar Sender, die man nicht selbst hat aussuchen dürfen, und auf einmal hätte sich das Radio auf einen Sender eingestellt, den es gar nicht empfangen konnte.
    Es war einfach himmlisch.
    Die Augen des Vampirs wurden immer größer und dunkler, aber er hielt völlig still.
    „Entschuldigen Sie bitte!“ sagte ich dann mit einem leisen, erschrockenen Aufschrei, riß meine Hände los und starrte wieder auf den Parkplatz. Mir war die Sache so peinlich, daß ich einfach vor mich hinplapperte, irgendwelche Dinge über Mack und Denise; dabei konnte ich die ganze Zeit an nichts anderes denken als daran, wie wunderbar es wäre, einen Gefährten zu haben, dem ich nicht würde zuhören können, es sei denn, er selbst entschied sich, laut mit mir zu reden. Wie schön sein Schweigen war.
    „... und so dachte ich mir: Sieh doch lieber mal nach, ob da draußen auch alles in Ordnung ist“, beendete ich meinen Redeschwall und hätte nicht mehr sagen können, was ich dem Vampir alles erzählt hatte.
    „Sie kamen also hier heraus, um mich zu retten. Das war sehr tapfer von Ihnen“, sagte der Vampir mit einer Stimme, die so verführerisch klang, daß DeeAnne bei ihrem Klang auf der Stelle die roten Höschen abgeschüttelt hätte.
    „Das können Sie aber mal gleich lassen!“ sagte ich barsch und landete mit einem lauten Plumps auf dem Boden der Tatsachen.
    Einen winzigen Augenblick lang schien er verwirrt. Dann war sein Gesicht wieder weiß und glatt wie gewohnt.
    „Fürchten Sie sich gar nicht? So ganz allein mit einem hungrigen Vampir?“ fragte er mit einem koketten und doch auch irgendwie gefährlichen Unterton.
    „Nein.“
    „Denken Sie, Sie seien sicher vor mir, weil Sie zu meiner Rettung herbeigeeilt sind? Denken Sie, ich spüre nach all den Jahren noch einen Hauch Sentimentalität in mir? Vampire wenden sich oft gegen Menschen, die ihnen trauen. Sie müssen wissen, daß die moralischen Werte der Menschen von uns nicht geteilt werden.“
    „Es gibt auch eine Menge Menschen, die sich gegen die wenden, die ihnen trauen“, merkte ich an. Wenn ich will, kann ich sehr pragmatisch sein. „Eine völlige Närrin bin ich nicht.“ Damit streckte ich ihm den Arm hin und wandte den Kopf ab. Während er sich erholt hatte, hatte ich mir nämlich die Silberkette der Ratten um Hals und Arme geschlungen.
    Der Vampir erschauderte sichtlich.
    „Aber da ist noch eine schöne, saftige Arterie in Ihrer Leistengegend!“ sagte er dann, als er sich von seinem Schock erholt hatte, und jetzt klang seine Stimme so schlüpfrig wie eine Schlange auf der Rutsche in der Badeanstalt.
    „Reden Sie bloß nicht so unflätig daher“, sagte ich. „So etwas höre ich mir gar nicht an.“
    Wieder sahen wir einander schweigend an. Ich hatte Angst, ich würde ihn nie wiedersehen; sein erster Besuch im Merlottes ließ sich ja nicht gerade als großer Erfolg bezeichnen. Also versuchte ich, mir jede Einzelheit seiner Erscheinung einzuprägen. Von dieser Begegnung würde ich noch lange zehren müssen - da wollte ich mir alles ganz genau immer wieder vor Augen halten können. Sie war kostbar, diese Begegnung, ein wahrer Schatz. Gern hätte ich noch einmal seine Haut berührt. Ich wußte schon gar nicht mehr, wie sie sich anfühlte. Aber das würde einerseits die Grenzen des Anstands verletzen und andererseits unter Umständen dazu führen, daß er noch einmal seine Verführernummer abzog.
    „Möchten Sie das Blut trinken, das die beiden mir abgenommen haben?“ fragte der Vampir nun ganz und gar

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