Vorübergehend tot
unerwartet. „Es wäre eine Möglichkeit für mich, Ihnen meine Dankbarkeit zu erweisen.“ Er wies auf die verschlossenen Ampullen, die immer noch auf der schwarzen Asphaltdecke lagen. „Mein Blut soll ja angeblich Ihr Sexualleben und Ihre Gesundheit auf Trab bringen.“
„Ich bin gesund wie ein Pferd“, erklärte ich, was nichts als die reine Wahrheit war. „Mein Sexualleben ist nicht der Rede wert. Mit dem Blut können Sie machen, was Sie wollen.“
„Vielleicht wollen Sie es ja verkaufen?“ schlug er vor, aber ich glaube, das tat er nur, weil er sehen wollte, wie ich darauf reagierte.
„Ich würde es nicht anrühren“, erwiderte ich abgestoßen, denn seine Worte hatten mich verletzt.
„Sie sind anders als andere“, meinte er nachdenklich. „Was sind Sie?“ So wie er mich ansah, schienen ihm eine Reihe Möglichkeiten durch den Kopf zu gehen, und zu meinem großen Vergnügen konnte ich nicht eine einzige davon hören.
„Ich heiße Sookie Stackhouse und bin Kellnerin“, teilte ich ihm mit. „Wie heißen Sie?“ Das würde ich ihn doch noch fragen dürfen, ohne aufdringlich zu wirken.
„Ich heiße Bill“, erwiderte er.
Ehe ich es verhindern konnte, lag ich auch schon laut lachend auf dem Po. „Ein Vampir mit Namen Bill!“ kicherte ich. „Ich dachte, Sie würden Antoine heißen oder Basil oder Langford - aber ausgerechnet Bill?“ So herzlich hatte ich lange nicht mehr gelacht. „Na, bis bald mal, Bill, ich muß wieder an die Arbeit.“ Sofort spürte ich, wie allein beim Gedanken an das Merlottes das altvertraute, verkrampfte Lächeln in mein Gesicht zurückkehrte. Ich legte Bill die Hand auf die Schulter, stützte mich auf ihr ab und stand auf. Seine Schulter war hart wie Stein, und ich gelangte so rasch wieder auf die Beine, daß ich um ein Haar gestolpert wäre. Nach einem raschen Blick auf meine Socken - um sicherzugehen, daß deren Aufschläge exakt auf derselben Höhe saßen - überprüfte ich alle Einzelteile meiner Uniform auf Spuren meines Kampfes mit den Ratten. Dann klopfte ich mir den Dreck vom Po - immerhin hatte ich auf dem dreckigen Asphalt gesessen - und schlenderte über den Parkplatz zurück zum Merlottes, wobei ich Bill über die Schulter zum Abschied zuwinkte.
Es war ein anregender Abend gewesen, und er hatte mir einiges beschert, über das ich würde nachdenken können. Beim Gedanken daran war mir fast so fröhlich zumute, wie ich es meinem Lächeln zufolge auch hätte sein müssen.
Aber Jason würde sich seiner Kette wegen schrecklich aufregen.
* * *
An diesem Abend fuhr ich gleich nach der Arbeit nach Hause. Ich wohne nur etwa acht Kilometer südlich des Merlottes. Bei meiner Rückkehr war Jason (wie auch DeeAnne) bereits verschwunden gewesen, was meinen Erlebnissen eine weitere positive Note verliehen hatte. Nun, auf der Fahrt zum Haus meiner Großmutter, in dem ich lebe, ging ich die Ereignisse des Abends noch einmal durch. Das Haus meiner Großmutter befindet sich kurz vor dem Friedhof Tall Pines, und der liegt an einer kleinen, zweispurigen Landstraße. Die Anfänge unseres Hauses gehen auf meinen Ur-Ur-Ur-Urgroßvater zurück, und der hatte großen Wert auf seine Privatsphäre gelegt. Will man zu unserem Haus gelangen, so muß man von der Landstraße auf eine lange Einfahrt abbiegen, die durch ein kleines Waldstück führt, und landet dann endlich auf der Lichtung, auf der unser Haus steht.
Das Haus unterliegt nicht dem Denkmalschutz, denn die meisten seiner wirklich alten Bestandteile sind im Laufe der Jahre eingerissen und ersetzt worden; zudem sind wir natürlich an die Stromversorgung angeschlossen, es gibt bei uns fließend Wasser, eine vernünftige Sanitäranlage, Wärmeisolierung, all die guten Dinge, die die moderne Zeit so mit sich bringt. Aber immer noch ziert ein Blechdach unser Haus, dessen Anblick einen an manchen Sonnentagen fast blind werden lassen kann. Das Dach hatte vor ein paar Jahren erneuert werden müssen, und ich hatte dazu normale Dachziegel nehmen wollen, aber das hatte meine Großmutter abgelehnt. Auch wenn ich für das neue Dach gezahlt habe - das Haus ist Omas Haus, und so blieb es natürlich beim Blech.
Historisch wertvoll oder nicht: Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, zog ich in dieses Haus, und ich war vorher oft zu Besuch gewesen. Ich liebte das Haus. Es war nichts Besonderes, nur einer dieser großen alten Familienwohnsitze, und eigentlich, nehme ich an, viel zu groß für meine Oma und mich. Über die gesamte
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