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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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den Arbeitstag durch. Was mir im Kopf herumging, konnte ich niemandem anvertrauen, konnte noch nicht einmal sagen, mir sei übel, ohne daß gleich alle gefragt hätten, was denn los sei. Also sagte ich nichts; ich arbeitete nur. Ich blendete alles aus bis auf die Bestellung, die ich als nächstes servieren sollte. Ich fuhr nach Hause und versuchte, diesen Zustand der Betäubung aufrecht zu erhalten, aber sobald ich allein war, mußte ich den Tatsachen ins Auge sehen.
    Da flippte ich aus.
    Ich hatte ja gewußt, daß Bill in seinem langen, langen Leben bestimmt ein oder zwei Menschen umgebracht hatte. Als er ein junger Vampir gewesen war. Damals, als er noch viel Blut gebraucht hatte, ehe er seine Bedürfnisse so weit im Griff hatte, daß ihm ein Schlückchen hier, ein Mund voll da reichten, daß er trinken konnte, ohne zu töten ... er hatte mir ja selbst erzählt, daß es in jener Zeit ein oder zwei Todesfälle gegeben hatte, und er hatte die Rattrays umgebracht. Aber die hätten mich, wäre Bill nicht dazugekommen, in jener Nacht auf dem Parkplatz des Merlottes fertiggemacht, daran konnte kein Zweifel bestehen. Also war ich natürlich geneigt, ihm diese Tode zu verzeihen.
    Was war denn dann so anders an dem Mord an Bartlett? Auch er hatte mir Schaden zugefügt, schweren Schaden. Hatte eine ohnehin schon schwere Kindheit zum wirklichen Alptraum werden lassen. War ich denn nicht erleichtert, ja sogar erfreut gewesen zu hören, daß man ihn tot aufgefunden hatte? Roch denn da nicht mein jetziges Entsetzen über Bills Intervention nach Heuchelei der schlimmsten Sorte?
    Doch. Oder nicht?
    Müde und unglaublich verwirrt setzte ich mich auf meine Vordertreppe und wartete in der Dunkelheit, die Arme um meine Knie geschlungen. Als Bill eintraf, so rasch und leise, daß ich ihn gar nicht hatte kommen hören, sangen die Grillen im hohen Gras. Gerade hatte ich noch allein in der warmen Nacht gesessen, da hockte auch schon Bill neben mir auf der Treppe.
    Er legte den Arm um mich. „Was willst du heute nacht unternehmen, Sookie?“
    „Ach Bill!“ Vor lauter Verzweiflung klang meine Stimme ganz schwer.
    Er ließ den Arm sinken. Ich sah ihn nicht an, hätte seine Gesichtszüge im Dunkeln ohnehin nicht erkannt.
    „Das hättest du nicht tun sollen.“
    Er gab sich nicht die geringste Mühe, seine Tat zu leugnen.
    „Ich bin froh, daß er tot ist, Bill, aber ich kann nicht... “
    „Glaubst du, ich würde dir je wehtun, Sookie?“ Bills Stimme klang ruhig und fast wie ein Rascheln; wie Schritte im trockenen Gras.
    „Nein. Es ist vielleicht verwunderlich, aber ich glaube wirklich nicht, daß du mir je etwas antun würdest, selbst wenn du sehr wütend auf mich wärst.“
    „Dann ... “
    „Bill, es ist so, als hätte ich ein Verhältnis mit dem Paten! Ich habe jetzt Angst, in deiner Gegenwart irgend etwas zu sagen. Ich bin nicht daran gewöhnt, daß meine Probleme auf diese Art und Weise gelöst werden.“
    „Ich liebe dich.“
    Das hatte er bisher noch nie gesagt, und auch jetzt sagte er es so leise und flüsternd, daß ich fast hätte meinen können, ich hätte mir das alles nur eingebildet.
    „Tust du das wirklich?“ fragte ich, ohne das Gesicht zu heben, das Kinn immer noch auf den Knien. „Ja.“
    „Dann mußt du auch dulden, daß ich mein Leben wirklich lebe, Bill. Du kannst es nicht einfach für mich verändern.“
    „Als die Rattrays dabei waren, dich zusammenzuschlagen, hattest du nichts dagegen, daß ich es dir verändere.“
    „In dem Punkt muß ich dir recht geben. Aber ich kann nicht zulassen, daß du sozusagen mein ganzes Alltagsleben neu stimmst wie ein Klavierstimmer. Ich werde immer mal wieder auf irgendwen wütend sein, und andere Menschen werden wütend auf mich sein. Ich kann nicht ständig in Angst und Sorge leben, die würden womöglich als Nächstes ermordet. So kann ich nicht leben, Schatz. Verstehst du das?“
    „Schatz?“ wiederholte er.
    „Ich liebe dich“, sagte ich. „Warum, weiß ich auch nicht, aber so ist es. Ich will dir all diese kitschigen Namen geben, die man Leuten gibt, wenn man sie liebt. Ganz egal, wie doof das klingt, wo du doch Vampir bist. Ich will dir sagen, daß du mein Baby bist, daß ich dich lieben werde, bis wir beide alt und grau sind - auch wenn das ja gar nicht geschehen wird. Ich will dir sagen, daß ich weiß, du wirst mir immer treu sein - und auch das würde nicht stimmen, oder? Immer, wenn ich versuche, dir zu sagen, daß ich dich liebe, renne ich gegen eine

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