Vorübergehend tot
andere geflüstert. Niemand sprang auf den Tresen und schrie: „Los, Jungs! Zeigen wir's den Monstern in Monroe! Die haben bei uns nichts zu suchen. Auf zum Schloß, zum Schloß!“ Einer nach dem anderen diffundierten die Männer zur Tür hinaus und standen dann in kleinen Grüppchen auf dem Parkplatz herum. Ich sah mir das durch eines der Fenster an und schüttelte den Kopf. Gut sah das nicht aus, was da abging. Auch Sam war besorgt.
„Was hältst du davon?“ fragte ich ihn, und plötzlich wurde mir bewußt, daß ich an diesem Abend zum ersten Mal mit ihm sprach außer: 'Zapf mir noch ein Bier, eine Margarita bitte' , natürlich. „Ich glaube, hier rottet sich der Pöbel zusammen“, sagte Sam. „Aber sie werden wohl kaum jetzt noch nach Monroe fahren. Die Vampire sind ja bis Sonnenaufgang wach und wohl auch gar nicht zu Hause.“ „Wo wohnen die drei, Sam?“
„Soweit ich das verstanden habe, befindet sich ihr Haus am Stadtrand von Monroe und zwar auf der Westseite - mit anderen Worten, nicht gerade weit weg“, antwortete Sam. „Genau weiß ich es aber auch nicht.“
Als wir das Lokal geschlossen hatten, fuhr ich heim, wobei ich insgeheim hoffte, Bill würde sich auf meiner Auffahrt herumtreiben, damit ich ihm sagen konnte, was sich da zusammenbraute.
Aber ich bekam ihn nicht zu Gesicht, und zu ihm nach Hause wollte ich auf keinen Fall gehen. Ich trödelte lange herum, ehe ich versuchte, bei ihm anzurufen, wobei ich lediglich seinen Anrufbeantworter erreichte. Ich hinterließ eine Nachricht. Unter welchem Namen das Telefon der drei Vampire im Telefonbuch stehen könnte, hätte ich beim besten Willen nicht sagen können. Ich wußte ja noch nicht einmal, ob sie überhaupt Telefon besaßen.
Während ich mir die Schuhe auszog und den Schmuck ablegte - alles Silber, Bill! Das hast du nun davon - machte ich mir Sorgen, daran erinnere ich mich, aber ich machte mir nicht genug Sorgen. Ich ging zu Bett und schlief rasch ein, in dem Schlafzimmer, das nun mein eigenes war. Mondlicht strömte durch die offenen Lamellen der Jalousien und warf ungewohnte Schatten auf den Fußboden, aber ich hatte nicht lange Gelegenheit, sie mir anzusehen. Bill weckte mich in dieser Nacht nicht mehr, um meinen Anruf zu erwidern.
Dafür klingelte das Telefon gleich früh am Morgen, als die Sonne schon aufgegangen war.
„Was?“ fragte ich noch ganz benommen und preßte den Hörer an mein Ohr. Dabei schielte ich nach meinem Wecker: Es war halb acht.
„Sie haben das Haus dieser Vampire angesteckt“, sagte Jason. „Ich hoffe, deiner war da nicht drin.“
„Was?“ fragte ich noch einmal, aber diesmal überschlug sich meine Stimme fast vor Schreck.
„Sie haben nach Sonnenaufgang am Stadtrand von Monroe das Haus der Vampire angesteckt. Es liegt an der Callista Street, westlich der Archer Street.“
Ich erinnerte mich daran, daß Bill gesagt hatte, er würde Harlen dort vorbeibringen. Ob er selbst auch geblieben war?
„Nein“, erklärte ich bestimmt.
„Doch“, erwiderte Jason.
„Ich muß weg“, sagte ich daraufhin und legte auf.
* * *
Die Ruine glomm im hellen Sonnenlicht vor sich hin. Kleine Rauchfahnen stiegen hinauf zum blauen Himmel. Verkohltes Holz sah aus wie Alligatorhaut. Auf dem Rasen des zweistöckigen Hauses standen wild durcheinander Feuerwehr- und Polizeiautos. Hinter der Absperrung aus gelbem Plastikband hatte sich eine kleine Schar Schaulustiger versammelt.
Auf dem verbrannten Gras standen nebeneinander aufgereiht die Überreste von vier Särgen. Daneben lag noch ein Leichensack. Ich ging auf die Särge zu, aber sie schienen nicht näherkommen zu wollen - wie in einem dieser Alpträume, in denen man sein Ziel nie erreicht.
Jemand packte mich am Arm und versuchte, mich aufzuhalten. Ich weiß nicht mehr, was ich zu dem Mann sagte, aber ich erinnere mich noch gut an sein entsetztes Gesicht. Ich schleppte mich also weiter durch den Müll und atmete den Geruch verbrannter Dinge ein, von nassen, verkohlten Dingen, einen Geruch, den ich zeitlebens nicht mehr loswerden würde.
Dann erreichte ich den ersten Sarg und sah hinein. Was vom Deckel übrig war, stand zum Licht hin offen. Am Himmel stieg die Sonne unaufhaltsam auf ihrer Bahn, und bald würden ihre Strahlen das schreckliche Etwas küssen, das dort in der durchweichten weißen Sargauskleidung ruhte.
Ob das Bill sein konnte? Es war unmöglich festzustellen. Noch während ich zusah, löste sich die Leiche Stück für Stück auf. Einzelne Teile
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