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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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zerbröselten einfach und wurden von der leichten Brise, die wehte, hinfortgefegt oder lösten sich dort, wo die Sonnenstrahlen sie berührten, in winzige Rauchwölkchen auf.
    In jedem Sarg begegnete mir ein ähnlich erschreckender Anblick.
    Sam stand neben mir.
    „Kann man das Mord nennen, Sam?“
    Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Rein rechtlich gesehen ist es Mord, Vampire zu vernichten. Aber dafür muß man erst einmal Brandstiftung nachweisen. Das dürfte zwar nicht schwerfallen ... “ Wir beide konnten das Benzin genau riechen. Männer eilten geschäftig ums Haus herum, kletterten hierhin und dorthin, riefen einander Bemerkungen zu. Mir schien es nicht so, als seien diese Männer ernsthaft mit der Untersuchung eines Tatorts befaßt.
    „Aber dieser Körper hier“, mit diesen Worten deutete Sam auf den Leichensack im Gras, „war ein richtiger Mensch. Da müssen sie ermitteln. Ich glaube nicht, daß von dem Pöbel irgendwer im Kopf hatte, daß ja auch ein Mensch im Haus sein könnte. Daß sie überhaupt etwas anderes im Kopf hatten als das, was sie vorhatten.“
    „Warum bist du hier, Sam?“ fragte ich.
    „Für dich“, erwiderte er schlicht.
    „Ich werde den ganzen Tag nicht wissen, ob es Bill ist, Sam.“
    „Ja, ich weiß.“
    „Was soll ich den ganzen Tag machen? Wie soll ich das Warten überstehen?“
    „Vielleicht Tabletten?“ schlug er vor. „Schlaftabletten oder so?“
    „So etwas besitze ich nicht“, sagte ich. „Ich hatte nie Schlafprobleme.“
    Unsere Unterhaltung nahm immer merkwürdigere Züge an, aber ich glaube nicht, daß ich irgend etwas anderes hätte von mir geben können.
    Dann stand ein großer Mann vor mir, der örtliche Gesetzesvertreter. Er schwitzte in der Morgenhitze und sah so aus, als sei er bereits seit Stunden auf den Beinen. Vielleicht hatte er während der Nachtschicht gearbeitet und dann bleiben müssen, als das Feuer ausgebrochen war.
    Als Männer, die ich kannte, dafür gesorgt hatten, daß das Feuer ausbrach.
    „Kannten Sie diese Leute, Miss?“
    „]a, ich kannte sie.“
    „Können Sie die Überreste identifizieren?“
    „Wer soll das denn identifizieren können?“ fragte ich ungläubig zurück.
    Die Körper waren bereits fast verschwunden; sie trugen keinerlei Gesichtszüge mehr und lösten sich schnell ganz auf.
    Der Polizist sah aus, als sei ihm speiübel. „Ja, Ma'am. Aber die Person?“
    „Ich sehe sie mir an“, sagte ich, ohne groß nachzudenken. Es fällt schwer, mit alten Gewohnheiten zu brechen und nicht immer automatisch hilfsbereit zu sein.
    Als ahne er, daß ich kurz davor stand, meine Meinung zu ändern, kniete sich der große Mann in das angesengte Gras und zog den Leichensack auf. Das rußige Gesicht darin war das eines Mädchens, das ich noch nie gesehen hatte. Ich dankte Gott dafür.
    „Ich kenne sie nicht“, sagte ich, und dann merkte ich, wie meine Knie nachgaben. Sam fing mich auf, ehe ich zu Boden gehen konnte, und ich mußte mich gegen ihn lehnen.
    „Das arme Mädchen“, flüsterte ich. „Sam? Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
    Einen Teil meiner Zeit nahmen an diesem Tag die Ordnungshüter in Anspruch. Sie wollten alles erfahren, was ich ihnen über die Vampire, denen das Haus gehört hatte, sagen konnte, und ich gab ihnen die gewünschte Auskunft, aber viel war es nicht. Malcolm, Diane, Liam - woher stammten sie, wie alt waren sie, warum hatten sie sich in Monroe niedergelassen, wie hießen ihre Anwälte? - wie hätte ich auch nur eine dieser Fragen beantworten sollen? Ich war nie zuvor im Haus der drei gewesen.
    Als der Polizist, der mich befragte - wer immer das auch gewesen sein mag - feststellte, daß ich die drei durch meine Freundschaft mit Bill kannte, wollte er wissen, wer Bill sei und wie er ihn erreichen könne.
    „Vielleicht befindet er sich ja gleich hier“, sagte ich und wies auf die vier Särge. „Das werde ich erst nach Sonnenuntergang wissen.“ Dann hob sich meine Hand von ganz allein und verschloß mir den Mund.
    Genau diesen Moment wählte einer der Feuerwehrleute, um in lautes Gelächter auszubrechen. „Bratvampire nach Südstaatenart!“ rief der kleine Mann dem Beamten zu, der mich befragt hatte. „Da haben wir doch glatt ein paar Bratvampire nach Südstaatenart!“
    Als ich ihn trat, fand er das nicht so witzig. Sam zog mich weg, und der Mann, der mich befragt hatte, schnappte sich den Feuerwehrmann, den ich angegriffen hatte. Ich tobte wie eine Furie, und hätte Sam mich losgelassen,

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