Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes
blickten mit stolzem Lächeln zu ihm auf.
Nur die älteren Leute wiegten sich unsicher hin und her und äußerten flüsternd ihre Bedenken.
Krähenrufer hob die schwieligen Hände, drehte die Handflächen nach außen und brachte sie zum Schweigen. »Ich … ich wünschte, das wäre nicht geschehen.« Er drehte sich um und starrte Rabenjäger an. »Aber jemand mußte etwas unternehmen.«
»Nein, kein Krieg mit den Anderen«, jammerte der alte Mann. »Was folgt als nächstes? Weitere Überfälle? Nein, das ist der falsche Weg!«
»Das ist der Tod auch!« rief Rabenjäger mit hocherhobenem Kinn und streckte in machtvoller Gebärde den Arm aus. »Dort liegt das Große Eis, genau im Osten von hier. Riesige Eishauben lasten auf den großen Bergen. Im Eis gibt es kein Wild, Großvater nur Hunger. Und im Süden liegen Hügel und Berge, zerklüftete Felsen, verdorrtes Land und noch mehr Eis! Ihr alle wißt, was wir den Anderen kampflos überlassen haben! Die Gaben des Salzwassers, das Wild der grasbewachsenen Ebenen. Nur wenn wir die Anderen vertreiben, können wir in Frieden leben.«
Nun trat Singender Wolf vor. »Der im Licht läuft sagte, es gäbe einen Weg durch das Große Eis in ein Land mit überreichem Wild …«
»Aber du bist hier«, antwortete Rabenjäger selbstgefällig. »Soviel zum Wolfstraum.«
Seufzend schüttelte Singender Wolf den Kopf. »Ich … ich weiß auch nicht. Wir haben überlebt.« Er nahm all seinen Mut zusammen und rief: »Hört ihr? Wir leben!« »Und wo ist mein Bruder?«
»Er blieb bei der alten Reiher.« Die Worte schwebten dröhnend über der darauffolgenden Stille.
»Er blieb bei einer Hexe.« Rabenjäger lachte höhnisch. »Wahrscheinlich beschwört er mit ihr die bösen Geister, damit sie uns töten, weil wir ihn und seine verlogenen Träume nicht ernstnehmen!«
Eingeschüchtert versuchte Singender Wolf zu widersprechen: »Er ist ein guter Junge! Er hat nie …«
»Warum ist er dann nicht hier und berichtet uns mehr über den Weg durch das Große Eis?«
»Ich weiß es nicht«, murmelte Singender Wolf gedemütigt. »Unser Schicksal liegt in unserer Hand, in der Hand junger Männer mit hervorragenden Speeren!«
»Und die Anderen?« wagte ein alter Mann einzuwenden. »Glaubst du, sie lassen sich einfach von uns töten? Glaubst du nicht, sie schlagen zurück und bringen uns um?«
Rabenjäger schüttelte den Kopf. »Hüpfender Hase? Wie viele von uns starben gestern?«
Hüpfender Hase trat von einem Bein aufs andere und wirkte sichtlich beunruhigt. »Keiner.« »Wie viele Speere verloren wir?« »Keinen.« »Oh, sicher, einige werden sterben«, fuhr Rabenjäger fort.
»Vielleicht sterbe ich!« Langsam schritt er im Kreis um seinen blutigen Speer. »Aber ich will nicht sterben wie ein Karibu in der Falle und bei vollem Bewußtsein zu Tode geprügelt werden. Hat unser Volk jegliche Ehre verloren?«
Treffender Blitz stellte sich neben Rabenjäger. Die Gesichter der beiden Männer glühten orangerot im Feuerschein. »Wenn wir tatenlos herumsitzen und uns von den Anderen abschlachten lassen, wird niemand mehr da sein, der unsere Seelen hinauf zum Heiligen Volk der Sterne singt! Sonnenvater wird unsere Seelen in die ewige Dunkelheit verbannen.«
»In die ewige Dunkelheit! Weil wir Feiglinge waren«, setzte Rabenjäger unheilvoll hinzu.
Ein Raunen der Zustimmung erhob sich unter den jüngeren Leuten. Die Alten und einige Mütter mit Kindern auf dem Rücken blickten sich unbehaglich um. Mit großen Augen verfolgten die Kinder das Geschehen. Die Kleinsten lutschten am Daumen, die größeren nahmen ihre Brüder und Schwestern bei der Hand.
Am Rande der Menge entdeckte Rabenjäger plötzlich Tanzende Füchsin. Ihr schönes Gesicht hatte sich verdüstert. Selbst in diesem Moment äußerster Anspannung lächelte er ihr zu. Sie senkte die Augen.
Sie ist zurückgekommen. Später…
»Das ist unsere Zukunft, mein Volk.« Rabenjäger strich mit der Hand über den blutverkrusteten Speer.
»Nur wir selbst können uns retten. Vier Tage werde ich fasten. Am fünften Tag verlasse ich euch und vertreibe noch mehr Andere aus unserem Land. Ich nehme jeden mit, der sich mir anschließen will.«
Sein Blick glitt suchend über die jungen Männer. »Sollte niemand den Mut dazu aufbringen, gehe ich allein!«
Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er Tanzende Füchsin, die sich verstohlen in den Schatten zurückzog und eilig verschwand.
Er drehte sich um und folgte ihr in die Dunkelheit. Hinter ihm
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