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Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes

Titel: Vorzeitsaga 01 - Im Zeichen des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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war, daß keine trauernden Witwen am Rand des Zeremonienlagers des Weißen-Stoßzahn-Clans standen, keine kurzen Haare waren zu sehen. Nach den Schrecken der Langen Finsternis hatte ihnen dieser herrliche Sommer nur Gutes gebracht ein Geschenk des Großen Geheimnisses, das sie im letzten furchtbaren Winter vergessen zu haben schien.
    Vor Eisfeuer sprangen, hüpften und tanzten die jungen Männer. Ihre Füße stampften im Rhythmus des auf und abschwellenden Gesangs. Er schloß die Augen und atmete tief den Rauch des Weidenfeuers ein. Eine heilige Pflanze, die Weide. Der Geruch ihres Holzes beruhigte und reinigte die Seele. Bei den alljährlichen Festlichkeiten des Clans vereinigte die Weide sie alle zu einem einzigen Ganzen.
    Eisfeuer öffnete die Augen und starrte in das Feuer. Er fühlte sich vollkommen im Einklang mit der Welt. Die Flammen züngelten und loderten, gelbe Lichtpfeile schössen hinauf, Funken sprühten. Er fand innere Ruhe und genoß den Frieden dieses Abends.
    Das ständig wechselnde Muster der glühenden Kohlen versetzte ihn in Trance. In die vom Wind angefachte Glut starrend, fühlte er den Zauber, ohne sich dessen sofort bewußt zu sein. Aus einem Lichtstrahl heraus formte sich ein Gesicht und sah ihn an.
    »Wer bist du?« fragte er. Längst nahm er die Tänzer nicht mehr wahr. Er hörte nur noch den monotonen Singsang. »Das fragst du mich, Vater?«
    Eisfeuer schlug sich mit der Faust vor die Brust. »Wer … ?« »Ich sandte dir einmal einen Regenbogen. War das nicht genug?«
    »Vater? Du nennst mich Vater?«
    »Du bist der Mann, der meine Mutter vergewaltigte. Willst du nun auch noch uns zerstören? Geh weg.
    Verlasse das Land, das Sonnenvater uns gegeben hat. Gib uns…« Plötzlich stieß er einen Schrei aus.
    Ein stechender Schmerz durchbohrte Eisfeuers Brust. Ihm war, als träfe ihn eine scharfe Speerspitze.
    »Tod«, flüsterte das Gesicht im Feuer. »Mein Bruder hat die Anderen getötet. Siehst du sie? Siehst du ihre blutenden, zerschlagenen Körper?«
    In Eisfeuers Unterbewußtsein kristallisierte sich eine Vision heraus. Fünf liegende Gestalten, von tiefen Wunden übersät. In dem geronnenen Blut tummelten sich Fliegen und legten ihre Eier in elfenbeinfarbenen Häufchen in das zerfetzte Fleisch.
    »Ringwerfer, Fünf Sterne, Mausschwanz …« Nacheinander nannte Eisfeuer sie beim Namen. Klar und deutlich sah er das Bild vor sich. Unablässig starrte er auf das Gesicht im Feuer. Er schluckte den Kloß im Hals hinunter. »Du? Du hast das getan?«
    »Mein Bruder Rabenjäger dein Sohn hat das getan. Ich bin Wolfsträumer geboren aus deinem Samen, Mann der Anderen. Du erntest die Früchte deiner Gier. Deine Saat wuchs heran auf der steinigen Erde unseres Volkes. Mit Rabenjäger ziehen Leid, Tod und Verderben.«
    Eisfeuer schüttelte den Kopf. »Wir töten euch. Das ist eine Sache der Ehre. Wir sind kampferprobte Männer. Ihr seid weich, ihr plärrt wie verwundete Karibukälber. Meinen Kriegern entkommt ihr nicht.
    Für diese Tat metzeln sie euch nieder.«
    »Überlege gut, Vater. Dein Sohn, geboren im Blut, kommt. Dein Sohn, geboren im Licht, geht.
    Welchen Weg wählst du?«
    »Wählen? Was meinst du? Wolfsträumer, welche Botschaft bringst du mir?« Er beugte sich vor.
    »Welche?«
    »Tod oder Leben. Gibt es eine andere Botschaft, Vater?« Die Flammen knisterten. Ein Funkenregen erhob sich in dunkelrotem Wirbel in die Nacht.
    »Wolfsträumer? Wolfsträumer?« Nur das Knistern der dürren Weidenäste antwortete. Der heilige Rauch hüllte ihn ein wie eine wärmende Decke.
    Blinzelnd sah sich Eisfeuer um. Der Zauber seiner Vision verschwand im Feuer.
    »Alter Freund?« Roter Feuersteins Stimme klang wie aus weiter Ferne. Zögernd drängte sie sich in die Stille.
    Eisfeuer rieb sein maskenhaft starres Gesicht und spürte die warme Hand des Sängers auf seiner Schulter. Er sah hinüber zu den Tänzern, die ihn beobachteten und sich fragende Bücke zuwarfen.
    »Was… was ist geschehen?«
    Roter Feuerstein wich seinem Blick nicht aus und machte kein Hehl aus seiner tiefen Besorgnis. »Du standest da und schriest in das Feuer. Als ob du laut mit jemandem sprechen würdest, der sich im Feuer befindet. Ich habe sofort nachgesehen, aber da waren nur glühende Holzkohlen.«
    Ein plötzlicher Schauder überlief Eisfeuer. Aus seinem Unterbewußtsein tauchte das Bild der toten Jäger auf. Er hörte wieder das schreckliche Summen der Fliegenschwärme. »Tod. Er sagte, der Tod kommt. Mein Sohn kommt. Er

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