Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
diese Botschaft überbringen. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Linke Hand holte tief Luft. »Gut, Weiße Esche, ich gehe. Gib mir das Wolfsbündel, und ich mache mich sofort auf den Weg.«
»Das Wolfsbündel kommt mit uns in den Süden«, erklärte Weiße Esche bestimmt. »Stilles Wasser ist sein neuer Hüter. Das Bündel hat ihn gerufen.«
»Stilles Wasser? Kranker Bauch}« Linke Hand fuhr herum, Wahnsinn glitzerte in seinen Augen. »Das Wolfsbündel ist das Herz des Volkes! Es gehört…«
»Dem Ersten Mann«, unterbrach ihn Weiße Esche und packte den Händler bei den Schultern. Sie starrte ihm durchdringend in die Augen, blickte bis auf den Grund seiner Seele. »Prüfe dein Herz, Linke Hand. In deinen Träumen hast du die Macht gefühlt. Du weißt, wohin sie gehört.«
Entsetzt öffnete er den Mund, doch er brachte kein Wort über die Lippen.
»Der Erste Mann trug mir auf, dir folgendes mitzuteilen: Wenn deine Leute nach Osten gehen, müssen sie die Maskentänzer auf den neuen Weg führen und den Traum fortsetzen. Erst wenn sich dein Volk würdig erwiesen hat, wird ein Träumer kommen, der das Wolfsbündel euren Kindern zurückbringt.«
»Aber ich…«
»Die Macht kommt nicht ohne Gegenleistung!«
Unter ihrem unnachgiebigen Blick ließ sein Widerstand nach. Er unternahm einen letzten verzweifelten Versuch. »Ich muß das Bündel mitnehmen. Wenn ich meine Leute führen soll brauche ich es.«
Sie schüttelte den Kopf. »Stilles Wasser ist von nun an der Hüter des Bündels. Das Wolfsbündel rief nach ihm. Ein neuer Weg für alle Völker muß geträumt werden, sonst stirbt der Traum des Ersten Mannes.«
Kranker Bauch stand auf. Schmerz und Mitleid zeichneten sein Gesicht. »Wird der neue Weg nicht geträumt, verändert sich die Spirale. Ich habe im Traum Bilder gesehen. Gerodete Wälder und versklavte Menschen, die furchtbare Arbeit verrichteten. Ich habe faulende Wasser und braun verpestete Luft gesehen. Ich habe eingepferchte Tiere gesehen deren Seelen starben, während sie noch am Leben waren. Die Spirale ist in Gefahr. Es liegt an Weiße Esche und an mir, diese Gefahr abzuwenden.«
Linke Hand ballte die Fäuste, seine Schultermuskeln wölbten sich eindrucksvoll. Verbitterung funkelte in seinen Augen. »Als wir uns gemeinsam auf diese Reise begaben, die uns schließlich hierhergeführt hat, überreichte ich dir ein Geschenk Fischzähne, die sich in Stein verwandelt hatten. Gehst du so mit der Macht des Handels um? Als Dank für ein Geschenk … nimmst du Herz und Seele meines Volkes?«
Stilles Wasser krümmte sich unter diesen Worten zusammen, ein schreckliches Schuldbewußtsein nagte an seiner Seele.
»Genug jetzt!« rief Weiße Esche und trat zwischen die beiden Männer.
»Er hat damit nichts zu tun, Händler. Frag die Macht, warum sie sich vom Wolfsvolk abgewandt hat.
Frag den Ersten Mann und das Wolfsbündel, warum es nach einem neuen Hüter verlangt hat! Suche die Antworten in den Träumen, die dich im Schlaf verfolgen. Aber gib nicht Stilles Wasser die Schuld an dem, was die Macht von ihm verlangt.«
Linke Hand holte tief Luft und hielt den Atem an. Er drehte sich um und starrte in den Sonnenuntergang. »Zu anderen Zeiten, Kranker Bauch, würde ich dich dafür umbringen.« Er schüttelte den Kopf, ein am Boden zerstörter Mann, weggerissen von allem, was er gekannt hatte, was ihm lieb und teuer war. ,Ja, Weiße Esche, von Anfang an wußte ich, daß eine Macht am Werk ist. Ich konnte sie fühlen.«
Stilles Wasser leckte sich die trockenen Lippen und sagte unglücklich: »Eines Tages schicke ich dir ein Geschenk, Linke Hand. Ich weiß nicht, was, aber irgendwie…«
»Vergiß es, Kranker Bauch. Uns verbindet nichts mehr. Die Macht unserer Freundschaft ist tot.« Er wandte sich an Weiße Esche, Tränen glitzerten in seinen Augen. »Was soll ich tun? Wie kann ich gegen dich kämpfen? Du… bist die Macht. Du bist die Träumerin, die Kranker Bauch suchen sollte.
Und du sagst mir, ich … ich müsse…« Abrupt wandte er sich wieder von ihr ab und blickte zur untergehenden Sonne hinüber.
»Linke Hand…«, begann Kranker Bauch, aber auf ein Zeichen von Weiße Esche hin verstummte er.
»Es gibt nichts, womit wir ihn trösten können«, sagte sie. »Das ist die Macht. Und du weißt das. Das Wolfsbündel rief dich in deinen Träumen. Prüfe dein Herz und sage mir, was du fühlst.«
Stilles Wasser schürzte die Lippen und senkte die Augen. »Es ist ungerecht. Weiter nichts.«
»Wer sagt,
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