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Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Titel: Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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fuhr sie leicht über die Klinge, um die Schärfe zu prüfen. Zufrieden mit ihrer Arbeit, ging sie den Hang hinauf. Den tiefhängenden, von Westen heranjagenden Wolken schenkte sie keine Beachtung. Zielstrebig ging sie auf eine Kiefer zu und begann, die Rinde abzuschälen. Den inneren Teil der Rinde konnte sie kauen. Sie schmeckte zwar bitter und der Körper gewann wenig Energie daraus, aber sie mußte essen, um zu überleben.
    Die ersten Schneeflocken wirbelten herab. Weiße Esche hackte einen langen Rindenstreifen von dem hellgelben Holz. Normalerweise hätte sie die harte, schuppige Außenseite der Rinde abgeschält und die Innenseite gekocht. Doch unter diesen Umständen mußte sie darauf verzichten. Noch hatte sie nicht das richtige Holz für Feuerstöcke gefunden. Außerdem brauchte sie zur Zubereitung einer warmen Mahlzeit einen Kochsack aus Pansen und das bedeutete, daß sie entweder ein Tier töten oder ein verhungertes oder erfrorenes Tier entdecken mußte, über das die Nagetiere noch nicht hergefallen waren. Die abgeschabten Streifen kaute sie sofort. Beim bittersüßen Geschmack der faserigen Rinde lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Der an ihren Zähnen klebende zähe Saft munterte ihre Seele auf; Saft bedeutete Leben.
    Erneut hieb sie mit dem Stein auf den Baum ein. Sie brauchte Nahrungsvorrat. Als nächstes mußte sie schnellstens Schutz vor dem Sturm suchen.
    Nachdem sie soviel sie tragen konnte vom Baumstamm geschabt hatte, hastete sie weiter. Die zunehmende Kälte fraß sich durch ihre Mokassins; die äußere Schicht war bereits abgetragen und durchlöchert, und die innere Schicht hielt sicher auch nicht mehr lange. Sobald sie einen Unterschlupf gefunden hatte, wollte sie versuchen, Streifen aus Wacholderrinde zu verweben und damit die Lebensdauer des mürben Leders verlängern.
    Der Schnee wirbelte in dicken Flocken auf Weiße Esche herab. Die Hügelkuppen wirkten kahl und nackt und sahen nicht sehr einladend aus. Nichts deutete auf einen Unterschlupf hin. Die struppigen Sträucher waren nicht hoch genug, um aus den Zweigen eine Hütte flechten zu können. Die Nacht senkte sich über das Land. Der Schnee fiel in immer dichter werdenden Flockenwirbeln, und sie konnte die vor ihr liegenden Konturen der Landschaft nur noch schemenhaft erkennen.
    Sie zog ihre Kapuze über den Kopf und schleppte sich erschöpft weiter. Verzweifelt hielt sie nach einem Platz Ausschau, der sie vor dem eisigen Wind und dem alles einhüllenden Schnee schützen konnte.
    Mit tränenden Augen stolperte sie fast blind durch das Schneegestöber. Endlich, im diffusen Licht des späten Abends, entdeckte sie einen Felsüberhang.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung taumelte sie unter den überhängenden Felsen. Es war nichts weiter als eine unterhöhlte Sandsteinplatte, aber es mußte genügen. Sie klopfte den Schnee von ihrer Kleidung, kroch an die Rückwand des Felsens und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Nur eine kurze Weile wollte sie ausruhen und ihrem erschöpften Körper die Möglichkeit verschaffen, neue Reserven aufzubauen.
    Sie schloß die Augen. Hatte ein Angehöriger des Weißlehm-Stammes das Massaker überlebt? War ihr Stamm ausgelöscht und nur noch Erinnerung?
    Windläufer, du hast Glück gehabt. Sage ruhig dem Schwarzspitzen-Stamm, der Weißlehm-Stamm sei vom Erdboden verschwunden. Damit beleidigst du niemanden mehr. Höchstens die Geister der zornigen Toten.
    Unbeweglich lag sie da. Der Schnee fiel unentwegt, und es wurde rasch dunkel. Plötzlich vernahm sie durch das Heulen des Windes ein fremdes Geräusch. Sie horchte auf, und erkannte es Schnee, der unter den Schritten eines Menschen knirschte.
    Blitzschnell sprang sie auf die Füße und stürmte los, geradewegs in die Arme eines Mannes. Der packte sie mit seinen starken Armen und überwältigte sie mühelos. Sie hatte seiner Kraft nichts entgegenzusetzen. Lachend schleuderte er sie zu Boden und drückte sie grob hinunter.
    »Laß mich los!« schrie sie und schlug mit den Fäusten nach ihm.
    Der Geruch nach Rauch, Winterschweiß und Leder stieg ihr in die Nase. Sein heißer Atem streifte ihre Wangen. »Das war eine lange Jagd«, sagte er, »aber Drei Bullen hat dich schließlich doch erwischt.«
    Schaudernd hörte sie die Sprache des Wolfsvolkes.
    »Laß mich gehen«, flüsterte sie in der Sprache des Erdvolkes. »Ich bin aus dem Dreigabelungenlager.
    Mein Volk lebt mit dem deinen in Frieden.«
    »Keine Frau aus dem Dreigabelungenlager lebt beim

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