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Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Er lächelte hochmütig und sah Petaga an, als sei dieser ein kleines, unbedarftes Kind. »Glaubst du, deine Beweggründe - Rache und Haß - seien edler?«
    Begriff Taschenratte nicht, daß die River Mounds für das Überdauern ihrer Lebensform kämpften?
    Daß sie von der Hoffnung getrieben wurden, das Leben für alle erträglicher zu machen, besonders für die Nichtadeligen, die in Zeiten von Hunger und Mangel am meisten zu leiden hatten?
    Lässig legte sich Taschenratte auf seiner Decke auf die Seite. Er schien die Wogen der Gefühle, die über Petaga hereinstürzten, zu spüren. »Du bist so ein Kind, Häuptling Großer Mond. Du mußt erst noch lernen, die Welt mit den Augen eines Mannes zu sehen. Wir -«
    Petaga erhob sich mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte, und verneigte sich. »Entschuldige mich, Cousin. Ich habe versprochen, mit Hagelwolkes Sohn Löffelreiher zu reden, bevor ich mich zur Ruhe begebe.«
    Petaga marschierte hinaus in die Dunkelheit; sein Herz drohte vor Zorn zu zerspringen. Er hatte sich die allergrößte Mühe gegeben, seinem Vater nachzueifern: ehrenhaft zu sein, offen für neue Gedanken, einfühlsam in das Leid anderer, kühl überlegend in der Kriegsvorbereitung.
    Doch nun schienen all diese Tugenden plötzlich belanglos zu sein. O Vater, ich wünschte, du wärst hier. Der Kummer schnitt in seine Seele wie die scharfe Spitze eines Pfeiles. Seit Tagen hatte er den Schmerz unterdrückt, nun brach er sich Bahn. Er spürte einen würgenden Kloß im Hals, und brennende Tränen traten in seine Augen.
    »Vater«, flüsterte er, »was hättest du an meiner Stelle getan? Hättest du dich passiv verhalten wie Aloda und das Beste gehofft? Hättest du nicht gekämpft, Vater …?«
    Ein leichter Wind zauste seine Haare, als striche die starke Hand seines Vaters liebevoll und sanft darüber. Ein Schluchzen stieg in Petagas Kehle.
    Er eilte in ein dichtes Büffelbeerengestrüpp. Die ersten drei Schritte brachte er ungehindert hinter sich, dann verhakte sich sein goldenes Gewand in einem Beerenzweig. Wütend packte er den Saum und riß ihn los.
    Das Geräusch des reißenden Stoffes hörte sich in der abendlichen Stille an wie schrilles Kreischen.
    Einer der Wachposten auf der Klippe duckte sich alarmiert.
    Unfähig, Kummer und Selbstzweifel länger zu unterdrücken, sank Petaga im Schutz der Beerensträucher langsam auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Wir sind das jetzt fünfmal durchgegangen, Zaunkönig! Wie oft muß ich es dir noch erklären?« sagte Schwarze Birke in barschem Ton. Er hockte vor dem Feuer im strohgedeckten Haus des jungen Häuptlings von Bladdernut Village.
    Fahles Mondlicht fiel durch das Fenster und ließ die Konturen der einfachen Möbel auf der anderen Seite des Raumes in sanftem Taubengrau aufschimmern. Die elfenbeinfarbene Decke über Zaunkönigs Lagerstatt sah in diesem Licht fleckig und grau aus, und die fünf an der Wand über dem Bett aufgereihten Körbe waren nur als dunkle Schemen wahrnehmbar.
    Zaunkönig bot seinem Gast eine kleine Trinkmuschel an, die nur bis zur Höhe eines Fingers mit dünnem, weißem Trank gefüllt war; sonst hatte er nichts.
    »Bis wir einander verstehen«, erwiderte Zaunkönig seelenruhig. »Oder willst du, daß ich dir Krieger verweigere, nur, weil ich nicht begreife, worum es dir geht? Und genau das werde ich tun, wenn du mich weiter bedrängst.« Er lag in ein hellbraunes Gewand gehüllt auf einem Berg bunter Decken auf der anderen Seite des Feuers und streckte seine langen Beine aus.
    Zur Rechten Zaunkönigs stand ein Dreifuß mit einem wunderschönen Schild aus gegerbtem Büffelleder, dem einzigen wertvollen Gegenstand im Hause des Häuptlings. Bladdernut Village war eines der ärmsten Dörfer des Häuptlingtums. Die mit Perlen verzierten Fransen an den Seiten des Schildes schwangen sacht in der durch das Fenster wehenden Brise. In der Mitte des Schilds waren die hängenden weißen Blüten einer Blasenkirsche kunstvoll aufgemalt.
    Schwarze Birke überdachte seine Lage. In dem Augenblick, in dem seine Krieger in das Dorf marschiert waren, hatte seine Haut unangenehm zu kribbeln begonnen. In dem Dorf war es zu ruhig gewesen, niemand schien dort zu sein. Er vermutete, daß die Dorfbewohner von ihren Wachen gewarnt worden waren, als diese die herannahenden Krieger entdeckten.
    Schwarze Birke hatte das Gefühl, durch ein Geisterdorf zu gehen. Als er endlich am Haus des Häuptlings auf dem Hügel am Nordende des

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