Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss

Titel: Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
das runde Stück herausheben. Wenn alles gutgeht, können die bösen Geister durch das Loch heraus entfliehen. Anschließend nähen wir die Kopfhaut wieder über dem Loch zusammen.«
    Sie blinzelte verwirrt. »Ohne das Schädelstück wieder einzusetzen?« »Oh, Flechte wird es nicht brauchen.« Ein schwacher Abglanz seines alten verrückten Lächelns spielte um seine Lippen. »Sie wird eben eine weitere Öffnung haben, durch die sie mit dem Erdenschöpfer sprechen kann … Bist du soweit, Wühlmaus?«
    Forschend blickte Wühlmaus in seine furchterfüllten Augen. Im glänzenden Gold des Feuerscheins schienen sie merkwürdig von innen heraus zu leuchten. »Ja. Ich bin bereit.«
    Ein kalter Wind zerrte an Hagelwolkes Stirnlocken und ließ die darin eingeflochtenen Perlen klirrend aneinanderschlagen. Der Krieger lehnte sich mit dem Rücken an die sandige Uferböschung des Marsh Eider Lake, verschränkte die Hände um seine angezogenen Knie und blickte über das rauhe Wasser.
    Der Sturm hatte die Blütenblätter von den Hartriegelsträuchern gerissen und sie auf das aufgewühlte Wasser gewirbelt. Einige Blüten tanzten noch immer inmitten des Sees, doch die meisten waren ans Ufer gespült worden. Im Mondschein leuchteten sie wie ein hellblaues Band, das sich entlang des Ufers rund um den See schlang.
    »Wunderschön«, murmelte er.
    Das laute Klopfen eines Spechts erregte Hagelwolkes Aufmerksamkeit. Er drehte sich um und betrachtete den rotbrüstigen Vogel, der ein Loch in den Stumpf eines Ahornbaumes hämmerte. Als das Loch tief genug war, schob der Specht seine lange, klebrige Zunge in die Öffnung und versuchte Ameisen zu fangen. Eine Unmenge Ameisen strömte heraus und krabbelte in hektischem Durcheinander über den alten Stamm. Der Specht ließ sich dadurch von seiner Mahlzeit nicht abhalten.
    Hagelwolke hörte Schritte und blickte sich um. Von der höher liegenden Geländestufe sah er den jungen Mondhäuptling herunterkommen. Petaga, in ein hellbraunes Gewand gekleidet, dessen Saum über die am Ufer wachsende Minze streifte, trat auf ihn zu. »Sie sind weg.«
    »Und was wollte die Frau?«
    Hagelwolke lehnte sich zurück und sah Petaga an. Der schwarze Zopf über dessen Schulter war frisch gekämmt, sah aber trotzdem borstig aus, da Petaga keine Zeit gehabt hatte zu baden. Vom dreieckigen Gesicht des Mondhäuptlings war die Anspannung vieler schlafloser Nächte abzulesen. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und wirkte völlig erschöpft.
    »Das war die neue Führerin des Hornlöffel-Stamms.« Petaga ließ sich neben Hagelwolke in den Sand fallen und faltete die Hände im Schoß. »Sie heißt Johannisbeere. Tharon hat ihre Mutter des Verrats beschuldigt und umgebracht.«
    »Wegen Verrats?«
    Petaga nickte. »Ja. Während einer Ratsversammlung wagte sie, den Stämmen aus Cahokia vorzuschlagen, sich uns anzuschließen. Mädchenauge war eine kluge alte Frau. Sie wußte, daß das System geändert werden muß, damit unser Volk überleben kann.« Er ließ den Kopf hängen und starrte geistesabwesend in den leicht indigoblau schimmernden Sand. »Darum hat Tharon sie getötet.«
    »Und was ist mit den vielen Leuten, die sich gestern am Marsh Eider Lake versammelt haben?«
    »Johannisbeere hat sich dort mit ihren Stammesangehörigen beraten. Sie haben beschlossen, uns aufzusuchen, und bieten uns über hundert Krieger an.«
    Hagelwolke zuckte die Achseln. »Wir brauchen sie nicht, Petaga.«
    »Nein, ich - ich weiß es. Aber wir müssen sie etwas tun lassen. Sie haben alles aufs Spiel gesetzt, um sich uns anzuschließen. Wir können sie nicht einfach wegschicken.«
    »Wenn wir sie zum ersten Angriff mitnehmen, haben wir höchstwahrscheinlich weniger Opfer zu beklagen. Ungefähr jeder vierte von Tharons Kriegern ist in irgendeiner Form mit einem von ihnen verwandt.«
    Petaga funkelte Hagelwolke von der Seite an und schnaubte empört: »Ein Verwandtschaftsgrad hält Dachsschwanz' Krieger wohl kaum davon ab, sie umzubringen. Wir sollten die Hornlöffel-Krieger nicht in den Kampf schicken, bevor es nicht notwendig ist.«
    Hagelwolke nickte zustimmend. Sein Blick wanderte in Richtung Süden zu den im Mondschein weiß leuchtenden Palisaden von Cahokia. Auf den Schießplattformen marschierten Krieger auf und ab.
    Hagelwolke hatte sie von dem Moment an, an dem er ihre Silhouetten erkannt hatte, immer wieder gezählt. Es waren höchstens dreihundert. Er verfügte über eintausend, und zwar ohne die zusätzlich vom Hornlöffel-Stamm

Weitere Kostenlose Bücher